135 Fotografien des Schkeuditzer Fotografen Ernst Goldberg in der art Kapella Schkeuditz 21. Sept. bis 9. Nov. 2014.
„Ernst Goldberg schüttet ein Füllhorn seines Werkes aus, angefangen mit wenigen Jugendwerken, über die unterschiedlichen Werkgruppen, bis hin zu einem Extrakt seiner Dokumentation der ostdeutschen Kunstszene der Achtzigerjahre, einige wenige Bilder aus der Leipziger Galerie E+A – Eigen und Art.“ So beginnt der Laudator T. O. Immisch (Kustos für Photografie an der Moritzburg in Halle) seine einführenden Worte am Sonntag zur neuen Ausstellung „Fotografie – Ernst Goldberg“ in der art Kapella Schkeuditz.
Ernst Goldberg wurde 1935 in Schönlinde im heutigen Tschechien geboren. Nach seiner Lehre als Chemielaborant (1949-51) holte er in Halle das Abitur nach und schloss 1975 an der Martin-Luther-Universität in Halle sein Hochschulstudium zum Diplom-Chemiker ab. Das Interesse Fotografie begleitete ihn von Beginn seines Lebens an und 1978 wurde er Zirkelleiter im MAB in Schkeuditz. Infolge der damit verbundenen labortechnischen Möglichkeiten begann seine sehr intensive fotografische Tätigkeit und zeitgleich entwickelten sich zunehmend Kontakte zur Leipziger Kunstszene und darüber hinaus.
1982 wurde er Kandidat und 1985 Mitglied im Verband Bildender Künstler.
T. O. Immisch: „Was sofort ins Auge fällt: Die Liebe zum Alten, zum Handgemachten, zum Handwerklichen, zum schönen Detail. Der aus der Fülle heraus gesehenen schönen Form: Schmiedeeisen, Kunstschlosserarbeiten – verwittert, angenagt vom Zahn der Zeit. Da scheint ein durchgängiges Thema auf: Vergänglichkeit, Vanitas der Dinge, der Verhältnisse wie der Menschen, die sie schufen.“ Die Serien von Fabrikschornsteinen oder die skulptural anmutenden, fast grafisch von der Vegetation überzeichneten, dem Verfall preisgegebenen landwirtschaftlichen Geräte sind fotografische Liebeserklärungen an eine den meisten Menschen verborgene, und doch von ihm gestaltete Welt.
Die Ausstellung kann sicherlich nur einen minimalen Ausschnitt aus dem Œuvre Ernst Goldbergs zeigen. Alleine die rund zehntausend Fotografien der ostdeutschen Kunstszene und die Ausstellungsimpressionen aus Dresden, Berlin, Erfurt oder dem damaligen Karl-Marx-Stadt sind für kaum einen Ausstellungsraum zu bewältigen. T. O. Immisch führte dazu aus: „… die Ausstellungsorte und Ereignisse, die Goldberg dauernd bewegten und bewegen – ihn selbst und sein Photographieren in Bewegung halten – Raumdetails, Besucher, Rednerportraits, Installationsansichten, betrachtete Betrachter, Bilder im Bild, sind Dialoge im Bild.“
Nur einige wenige Plakate sind zu sehen, wie jenes, welches anlässlich der 1000-Jahr-Feier von Schkeuditz entstand. Auch sein starkes Interesse am Experiment kann nur anhand von einigen Fotomontagen und mehrfachbelichteten Fotos gezeigt werden. So fehlen auch Aufnahmen aus der fotografischen Dokumentation zur 1000-Jahr-Feier, die Ernst Goldberg damals für die Stadt Schkeuditz schuf. Sie ist leider nicht mehr auffindbar.
Außerdem, so Immisch: „Überraschend; die Collagen – Dingcollagen abphotographiert – und klassische Klebebilder, dadaistische Erfindungen die Bunker, Trümmer, Bewuchs verbinden und verschwistern, wie das Konfrontieren mit Figuren klassischer Kunst – die Madonna, Mutter Maria, Venus und Lochstreifen: Hommage an Tradition wie Kritik an Traditionsverbundenheit in einem –“. Sein Blick für den ungewöhnlichen Moment spiegelt sich u. a. in einer kleinen Auswahl aus der Serie „Mendebrunnen“: „Angesichts einer Werkgruppe werden wir Zeugen einer Wiederauferstehung: Die allegorischen Figuren des Mendebrunnens – abgelegt und ausgelagert in einem verwilderten Hof zwischen Pflaster und Pflanzen: Wasserreiter, starke Frauen und geflügelte Pferde – kehren wieder, werden wieder aufgerichtet und zwar zum neu-alten Brunnen gefügt auf dem Augustusplatz.“
Wichtig für seine Arbeit waren vor allem in den Achtzigerjahren die „…Verbindung von Photographie und Performance. Photographie und Aktionskunst suchten und brauchten sich. Performance geschieht in der Zeit, was bleibt, sind die Bilder davon…“ Ebenfalls gegen Ende der Achtzigerjahre entstand die sozialdokumentarische Arbeit, als raumgreifendes Buchobjekt und ebenso als Installation mit Übermalungen von Frieder Heinze, über den Heizer Kurt Zeidler. Weitere Fotoplastiken entstanden u. a. für die Galerie Eigen+Art zum 10. Geburtstag, oder die grandiose Installation zur Dokumentation und mit der Performance von Manfred Küster „Der letzte Akt“, die in Leipzig, Erfurt und Halle gezeigt wurde. Im Jahr 2011 wurde dieses Werk anlässlich der Sonderausstellung „Geschlossene Gesellschaft – künstlerischer Fotografie in der DDR von 1945 bis 1990“ in der Berlinischen Galerie gezeigt.
Klangvoll war er auch, der Auftakt der Ausstellung an diesem Nachmittag. Das Musikerpaar Doris und Hans Peter Linde begeisterten Ernst Goldberg selbst und die zahlreichen Gäste, die gekommen waren. Sie spielten auf ihren barocken „Viola da Gamba“ Musik von Francois Couperin und Georg Philipp Telemann.
Abschließend wies T.O. Immisch darauf hin, dass Goldbergs ungeheure Konvolut der ostdeutschen Kunstszene „… gehören ins Zeitgeschichtliche Forum, daran wird gearbeitet. Die großen Photoobjekte, -plastiken und Rauminstallationen sind – dank Ernst Goldbergs Großzügigkeit – schon im Museum angekommen.“
Petra Kießling