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Wagners „Tannhäuser“ neu in Leipzig – Regie Calixto Bieito
"Tannhäuser" an der Oper Leipzig, Regie Calixto Bieito

Wagners „Tannhäuser“ neu in Leipzig – Regie Calixto Bieito

Wogen der Begeisterung in der Oper Leipzig. Das Premierenpublikum überhäufte Gewandhausorchester, Chor sowie nahezu geleichmäßig alle Solisten mit langanhaltendem Beifall und applaudierte gleichzeitig die frechen Buh-Rufer einfach weg. Es gab aber auch keinen wirklichen Grund für Exaltiertheiten. Zwar erlebt endlich nun auch das Leipziger Publikum heiß ersehnt seine erste Calixto-Bieito-Regie. Europaweit ist nach einer solchen aufgeregtes Getümmel angesagt. Aber es gab in Leipzig einen sehr zahmen Bieito zu sehen und außerdem einen aus quasi zweiter Hand.

Das hat eine Vorgeschichte. Die letzte „Tannhäuser“-Inszenierung lief hier 2005. Bayreuths amtierende Fürstin Katharina Wagner konnte aus organisatorischen Gründen die Leipzig zugesagte Neuinszenierung nicht umsetzen. Deshalb kam nun Richard Wagners Oper „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ als Übernahme einer erfolgreichen Koproduktion der Opera Vlaanderen und des Teatro La Fenice di Venezia an der Pleiße zur Deutschland-Premiere. Doch wie schon angedeutet, polarisiert diese Arbeit des katalanischen Regiestars nur unerheblich. Der Premierenabend war weder schroffe Buhs noch standing ovation wert, gleichwohl musikalisch hörens- und ausstattungsmäßig sehenswert.

Frau Venus im Wohlfühlmodus

Für mich entscheidend bei dieser Oper ist immer der Moment, wenn sich der Vorhang vor dem Venusberg hebt. Sofort ist klar: Das Reich der Liebesgöttin ist nicht lüsterlich. Frau Venus bewegt sich im Wohlfühlmodus in einem warum auch immer hängenden Wald. Wenn in dieser Szene etwas lasziv gemeint sein soll, ist es verunglückt. Es bleibt ein völliges Rätsel, was den zerrissenen Ritter Tannhäuser, gekleidet als gesellschaftlichen Aussteiger, bewogen haben könnte, Freunde und sein Gottgefälliges Leben dafür hinzuwerfen. Der Kerl weiß an keiner Stelle, was er will, ist unentschlossener und ängstlich. Elisabeth eine von den Konventionen der Männergesellschaft peu á peu in den Wahngetriebene.

Elisabet Strid in der Partie der Elisabeth

Elisabet Strid in der Partie der Elisabeth

Die schwedische Sängerin Elisabet Strid wird in Leipzig bereits als Salome gefeiert. Mit der Elisabeth prägt sie sich weiter ein und ist wieder darstellerisch ein Ankerpunkt dieser „Tannhäuser“-Aufführung. Es bleibt egal, welchen tieferen Sinn es macht, dass Elisabeth im Tal des 3. Aktes den Dreck vom Boden frisst. Strid kann den Wahnsinn, der sie dabei anspringt, körperlich sichtbar machen. Welche Haltung die Sängerin dabei hat und mit einem Wagnerton der ersten Liga vereint, ist Ereignis. Ihre Stimme klingt abgetönt warm und vermag in den Höhen extrem zu leuchten.

Das Männerensemble Landgraf Hermann (Rúni Brattaberg), Biterolf (Randall Jacobsh), Walther von der Vogelweise (Patrick Vogel) erlebte ich zur Premiere sängerisch ausgeglichen. Die Herren wirkten aber alle durch die jeweiligen Rollenvorgaben beansprucht. Mathias Hausmann als Wolfram muss nicht nur nach dieser so weichen, wohlklingenden Abendstern-Arie hervorgehoben werden. Kathrin Göring lies ihre stimmliche Indisponiertheit vorab ansagen. Es ist zu danken, dass Sie diese Partie der Venus trotzdem, bis auf Höhenprobleme, so wunderbar gesungen hat. Die Anlage ihrer Rolle scheint ihr aber wie dem Großteil des Publikums noch fremd zu sein. Die szenischen Einfälle von Calixto Bieito hatte in dessen Sinne Barbora Horáková Joly mit dem Ensemble einstudiert. Am Pult des exzellent spielenden Gewandhausorchesters betonte Ulf Schirmer die Dynamik der Partitur und vermied allen Schwulst. Den Chor hatte erstmals Thomas Eitel-de Lint vorbereitet.

Publikumszuspruch ist der Inszenierung sicher

Bleibt unter den vorderen Partien die des Tannhäuser selbst. Am Premierentag hatte Burkhard Fritz wegen Erkrankung abgesagt. Dafür wurde der mit der Inszenierung vertraute Wagner-Gigant Stefan Vinke aus Wiesbaden eingeladen. Er legte den Weg bis Eisenach im Zug zurück. In Thüringen blieb der Zug auf Grund vereister Weichen stehen. Der Premieren-Tannhäuser nahm ein Taxi nach Leipzig und war pünktlich eine Stunde von Vorstellungsbeginn da. Vinke sang großartig. Er schien für seine Kollegen die Linie vorzugeben, die sie suchten. Sein unverwechselbares Timbre, von der Vorgeschichte unerschüttert, nobilitiert diesen Abend und erlöste die mit den Maßbändern der Durchschnittlichkeit hantierende Inszenierung.

Moritz Jähnig

 

Annotation: „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“ von Richard Wagner. Oper Leipzig. Gewandhaushausorchester Leipzig. Musikalische Leitung Ulf Schirmer, Inszenierung Calixto Bieito, Szenische Einstudierung Barbora Horáková Joly, Bühne Rebecca Ringst, Kostüme Inge Krügler, Lichtdesign Michael Bauer, Choreinstudierung Thomas Eitel-de Lint, Dramaturgie Bettina Auer, Christian Geltinger. Die Darsteller: Elisabeth Elisabet Strid, Venus Kathrin Göring, Ein junger Hirt Danae Kontora, Landgraf Hermann Runi Bráttaberg, Tannhäuser Stefan Vinke, Wolfram von Eschenbach Mathias Hausmann, Walther von der Vogelweide Patrik Vogel, Biterolf Randall Jakobsh, Heinrich der Schreiber Kyungho Kim, Reimar von Zweter Sejon Chang, Edelknaben Peter Domeik Müller, Linn Klose, Lina Daniel, Jaron Gerth

Premiere 17.3.2018

Fotos: (c) Oper Leipzig/Tom Schulze

 

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