Studio-Ausstellung vom 25. September bis 21. November 2014, in der Nikolaistr. 57, 1. Etage.
Der Titel „Sonnig bis Wolkig“ ist treffend für Gudrun Petersdorffs Bildwelten und ich beginne mit einem sehr schönen Zitat aus dem Katalogtext von Peter Guth: „Gudrun Petersdorffs Bilder sprechen zuerst von Heiterkeit, Leichtigkeit und Lust am Machen. Winterbilder gibt es nicht. Ihr erstaunlich großes Maß an positiver Energie bedeutet jedoch keineswegs einen Verlust an Wirklichkeitssinn: Sie kennt die Welt mit ihren Repertoires aus Alltagsmühen, Ehe-Szenen und unwirtlichen Städten. Aber sie weiß auch, dass es ein Gegenmodell aus Heimat, Glück und Erfolg nicht gibt. Die Bilder dazwischen sind die Räume für die Kunst.“
In ihrer Malerei kippt sie die Perspektive gewollt, ungewollt, kontert Flächen und Farben, zieht klare Grenzen und löst feste Formen mit Strukturen wieder auf. Es geht Gudrun Petersdorff nicht um pure Wiedererkennung, sondern um die Entdeckung des Sichtbaren. Farben, die frei scheinen und doch der Komposition folgend, koalierend und konfrontierend aufeinandertreffen.
Ihre malerischen Werke sind anders. Viele KünstlerInnen wollen als „anders“ gelten, doch Gudrun Petersdorff ist anders. In der zeitgenössischen Kunst ringen viele, oft selbstverliebt, um das Eigene und das Andere. Gudrun ringt in ihrer Arbeit mit dem meist vor Ort erfassten und dem Gesehenen. Das Erfassen der Motive findet bei ihr über die Zeichnung statt.
In den Gemälden, Zeichnungen und Objekten, die heute und in den kommenden Wochen hier zusehen sein werden, finden sich vorwiegend urbane Landschaften und die Oasen zwischen den vom Menschen zementierten und dem Zweck untergeordneten bebauten Raum. Gudrun Petersdorff führt uns mit ihrer Darstellung des „zu Sehenden“ und lässt die Realität „Realität“ sein. Sie will nicht erzählen – sie will den Raum beschreiten, wie ein Poet, der seine Zeilen laut vor sich hin spricht, in seinem stillen Kämmerlein. Sie taucht Gesehenes in Farben und Formen und lässt den Himmel malerisch Swingen, die Brücke tänzerisch stürzen und uns Menschen entweder als Betrachter zurück oder im Bild als kleine Puppen, wie Geister erscheinen.
Der Mensch ist vorhanden auf ihren Bildern und man könnte meinen, er wäre es besser nicht. Verstehen Sie das jetzt bitte nicht falsch: Sie selbst als Betrachter gehören dazu, gehören zu den Bildern, und die merkwürdigen steifen Figuren lassen uns aufmerken, werfen uns zurück auf unsere pure Existenz. Und dann der Reiz am Sperrigen und einer Art Unbegehbarkeit, das vermeintlich Unbrauchbare, wie die „High Heels“, die in ihrer ausnehmenden Formgebung faszinieren, Fantasien auslösen.
Gudrun Petersdorff studierte bei Bernhard Heisig an der HGB und steht in seiner Tradition. Die durch Heisig angeregte Auseinandersetzung mit Kokoschka oder Matisse, Beckmann und Modersohn-Becker, oder den Surrealisten – während des Studiums und darüber hinaus – waren für Gudrun Petersdorff ein Ausgangspunkt für ihre weitere Arbeit. Doch sie fand ihre eigenen Formen und ging sehr früh und konsequent ihren eigenen Weg.
Ihre Zeichnungen: Eine andere Welt, und doch eng mit ihrer Malerei oder Druckgrafik verbunden. In den Zeichnungen gehen wir gemeinsam mit ihr an einen Ursprung ihrer Arbeit zurück. Wir sitzen oder stehen irgendwie dabei, werden Zeuge, wie sie die Motive, die Auffindungen auf ihren Reisen, ihrem Unterwegssein oder im Atelier erfasst. Spätestens bei der Betrachtung ihrer Zeichnungen erschließt sich – aus meiner Sicht – der seherische und spielerische Erfindungsgeist, der sich in ihrer Malerei entdecken lässt.
Sie selbst sagt: „Die Zeichnung ist spontaner, direkter bzw. unmittelbarer.“ Die sieben Zeichnungen, die wir gemeinsam für diese Ausstellung ausgesucht haben, sind sieben Brücken-Zeichnungen. Und Brücken sind für G. P. ein wichtiges Thema. „Aufgrund ihrer baulichen Spannung ergeben sie eine bestimmte Struktur, an der ich interessiert bin.“ Und sie sagt: „Viele dieser Brücken sind sehr alt, und wer weiß, wie lange es sie noch gibt.“
Wie ihre Gemälde sind es Liebeserklärungen an die vom Menschen gestaltete Welt, und wir finden diese in ihrer Malerei, in ihren Zeichnungen und ihren verspielten Objektschaukästen.
Solange ich mich persönlich an Arbeiten von Gudrun Petersdorff erinnere, war sie erkennbar und war nie so recht in die Schubladen des Urteilens einzupferchen. Es braucht mehr als einen flüchtigen Blick, ihre Bilder zu sehen. Und weil Gudrun Petersdorff Musik sehr liebt, kann sie meinen Versuch des Vergleichens sicher verstehen.
Vielleicht kann man den Moment, wenn man vor einem Bild von ihr steht, vergleichen mit dem Moment, wo man ein unbekanntes Musikstück hört. Man hört bzw. schaut ein zweites und ein drittes Mal, und es überrascht immer wieder, aber mit jedem Hören bzw. Sehen wird man vertrauter und irgendwann fängt man an es zu vermissen.
Petra Kießling