„Die Schatzinsel – Das Musical“ zu den Greifenstein-Festspielen.
Auf solche kann man reichlich bei den Greifenstein-Festspielen 2019 stoßen. Erstaunlich, was die kleine Crew des Eduard-von-Winterstein-Theaters Annaberg da leistet! Allein drei Premieren mit einem Spektrum von der Fortsetzung der Räuber-Hotzenplotz-Geschichte, einem Rhythm-and-Blues-Night-Musical samt Live-Band bis hin zum Musical über eine berühmte Piratengeschichte. Dazu zwei weitere Stücke für Kinder, der „Heiße Sommer“ nach dem gleichnamigen DEFA-Film, das Elfen-Feuer als funkelndes Nachtspektakel und schließlich die klassische Operette mit Johann Strauß „Zigeunerbaron“ und dem idealen Gesangspaar Bettina Grothkopf (Saffi)/ Frank Unger (Barinkay). – Ein voller Terminkalender ermöglichte mir nur den Besuch des neuesten Highlights und der bewährten Operette. Hier soll sich auf den Traum des jungen Louis Stevenson konzentriert werden, der aus der Spießigkeit seiner Heimat ausbrechen will und sich ermuntert von seiner Liebe Fanny an eine Piratengeschichte wagt. Spannung also pur, wie das Annaberger Ensemble die Abenteuerreise ausgehend vom „Admiral Benbow“ mit Kapitän Smollett und Inselchef Captain Flint nach dem auch verfilmten Roman Robert Louis Stevensons umsetzt.
Von Frieder Krause
Die Musicalfassung von Dennis Martin (Musik), Christoph Jilo und Wolfgang Adenberg ist mit ihrer Vielfalt der Handlungsebenen und dem damit innewohnenden schnellen Wechsel der Darsteller für das Publikum durchaus eine Herausforderung. Da wird z.B. mancher Vater oder die Großmutter in Schwierigkeiten kommen, die Fragen des Nachwuchses erläutern zu können. Doch glücklicherweise hat man auf den Greifensteinen die Schätze des Annaberger Ensembles!
Tamara Korber als Regisseurin vermag es, das Genannte so gut zusammenzufügen, dass man über die zwei Stunden Spiellänge nur wenig Orientierungshilfe braucht und man am Geschehen mit seiner Vielfalt an Traum, Dichterstreben, Piraterie und Liebe voller Spannung dran bleibt. Heutzutage ist durch moderne Medien meist Action gefragt und dies wird voll umgesetzt. Korber kann dabei auf ein engagiertes, spielfreudiges Ensemble bauen. Und es ist erstaunlich, wie viele Darsteller neben dem eigentlichen Ensemble für das Vergnügen am Geschehen bereitstehen. Sonderlob hier also für das Extraballett und alle Kleindarsteller! Mit Tilo Staudte (Bühnenbild), Annabel von Berlichingen (Kostüme), Jens Olaf Buhrow gibt es kongeniale Partner. Sigrun Kressmann (Choreographie) und Nenad Zanic‘ haben einen weiteren Löwenanteil am Gelingen der Aufführung.
Musikalisch laufen die Fäden – vielfach zwischen den Felsen erprobt und bewiesen – bei Kapellmeister Dieter Klug zusammen. Dafür wird die Toneinspielung der Original-Show-playbacks der Fuldaer Fassung verwendet. Klug ist dem gesamten Ensemble – und da muss man erst mal die Übersicht in der großen Spielfläche haben! – bei den Einsätzen ein zuverlässiger Partner, den auch technische Pannen nicht aus der Ruhe bringen können.
Die Musik von Dennis Martin hat mich – bei vorheriger Skepsis – positiv berührt. Natürlich fehlt der oft beschworene „Mitsinghit“, doch die oft balladenhafte Anlage schafft Räume für einen Streifzug durch die Welt der Gefühle. Facettenreich kommen die großen Ensemble-
szenen z.B. in Bristol, beim Sturm, beim Seemannsgarn und Piratentum oder auf Samoa daher. Ein weiterer Farbtupfer die Keckheit der vier Plaudertaschen.
Mit den drei Hauptdarstellern kann das Annaberger Ensemble mit besonderen Schätzen punkten. Dabei sei Nick Körber zuerst genannt. Da wächst ein guter Musicaldarsteller heran, der sich z.B. für „Jekyll und Hyde“ empfehlen könnte. Erstaunlich, wie er seine drei Rollen des Louis Stevenson, des Dr. Livsey und des Ben Gunn zusammenfügt, die Facetten des jungen Träumers, der Schreibsucht, des Kranken, des Liebenden, des Würdevollen sowie des Geisterhaften auslotet. Fesselnd in Stimme, Körpersprache und Kletterkunst der große Auftritt als Herr der Insel mit „Gestrandet“ und der Frage „Wer bin ich?“
Ihm stehen die jüngsten Darsteller nicht nach. Für Lloyd und Jim bestanden Tim Bluthner, Quentin Seiler und Jacob Lohschmidt das Casting. Der Rezensent erlebte Quentin Seiler und mit ihm ebenfalls Wandelfähigkeit sowie Gutes in der Sprech- und Gesangsstimme. Selten erlebt man so agile „Kleindarsteller“ mit so viel „Merke“ für den Text! Der jubelnde Schlussapplaus für ihn (natürlich auch für Körber und alle anderen) war folgerichtig. Die beiden anderen machen ihre Sache genauso gut, wie man hörte.
Dritte im Bunde ist Kerstin Maus als Fanny Osbourne und Mr. Hawkins, sozusagen als zweifache Mutter. Sie zeigt sich souverän als für die Jungs Sorgende sowie alle Höhen und Tiefen einer Liebe Erlebende. Als gesanglicher Glanzpunkt berührt zutiefst ihr „Übers weite Meer“.
Als Gast im Ensemble bringt der Zwickauer Maximilian Nowka seine Musicalerfahrungen ein. Er bewältigt den darstellerischen Drahtseilakt von Lloyds Vater bis zum Captain Flint.
Jason-Nandor Tomory gibt Louis Vater und dem Captain Smollett die nötige Würde und Strenge sowie die Kunst der Versöhnung. Dies paart er mit baritonalem Glanz, er hat eben das „Kommando“. Typgerecht besetzt ist weiter der Billy Bones. Leander de Marel verleiht ihm darstellerisch und sängerisch das nötige Seemannsgarn. Berührend das Spiel Lászlo Vargas als blinder Pew.
Rundum: Die Anreise zur Piratengeschichte hat sich gelohnt. In der kommenden Spielzeit sollte man sie eher im Spielplan, sprich in den Schulferien, verankern. So können sie viele Familien erleben.
ANNOTATION
Die Schatzinsel – Das Musical
von Dennis Martin, Christoph Jilo und Wolfgang Adenberg
Musik von Dennis Martin
Inszenierung Tamara Korber
Musikalische Leitung Dieter Klug
Bühne Tilo Staudte
Kostüme Annabel von Berlichingen
Choreographie Sigrun Kressmann
Chöre Jens Olaf Buhrow
Kampfszenen Nenad Zanic
Dramaturgie Annelen Hasselwander
Regieassistenz Susi Zanic
Inspizienz Matthias Stephan Hildebrandt
Souffleuse Claudia Hunger
Hospitanz Anne-Sophie Krohn
Louis Stevenson; Dr. Livsey; Ben Gunn Nick Körber
Fanny Osbourne, Mutter von Lloyd;
Mrs. Hawkins, Mutter von Jim Kerstin Maus
Thomas Stevenson, Vater von Louis;
Captain Smollett Jason-Nandor Tomory
Captain Nathaniel Flint; Long John Silver;
Sam Osbourne, Vater von Lloyd Maximilian Nowka
Billy Bones, alter Maat Leander de Marel
Israel Hands, Pirat; Der blinde Pew Laszló Varga
Lloyd; Jim Tim Bluthner/Quentin Seiler/Jacob
Lohschmidt
Der Chor des Eduard-von-Winterstein-Theaters
Extraballett, Kleindarsteller
Toneinspielung: Original-Showplaybacks
Folgevorstellungen 2019: 03.09., 15.00 Uhr und 07.09.,17.00 Uhr
Credits:
Fotos: © Sebastian Paul/16zu9