Solches ist das oft als tschechische Nationaloper gesehene Meisterwerk Bedrich Smetanas „Die verkaufte Braut“. Aktuell ist sie wieder im Spielplan der Leipziger Oper verankert. Passender als Mitte Juni konnte der Premierentermin nicht gelegt werden. Da ist zum einen das Licht und die Farbenpracht des Frühsommers für die Natur und Folklore Böhmens, zum anderen die unheilschwangere Gewitterstimmung samt der späteren Herbstahnung für verkrustete Traditionen und daraus entstehender Kränkung. Seit langer Zeit hat die Oper der Messestadt ein Werk ausschließlich aus dem eigenen Ensemble besetzt. Dieser Mut wurde mit einem Fest der Stimmen belohnt.
von Frieder Krause
Als Premierenbesucher im leider nicht ausverkauften Haus (unverständlich) war man natürlich neugierig, wie dieser Abend gelingt. Erhalten die großartigen, vielfältigen Melodien und die mitreißenden Chorszenen ihre volle Wirkung? Schafft die Regie den Spagat der Doppelbödigkeit bei allem innewohnenden Komödiantentum? Werden Fragen vom Selbst-
bestimmungsrecht der Frau im Zwiespalt der traditionellen Heiratsvermittlung und schließlich das Wanken bestehender Ordnungen in der Dorfgesellschaft offenkundig? Überwindet Marie völlig ihre erlittene Kränkung, die der vermeintliche obszöne Handel von Hans ausgelöst hat? Ist Wenzel nur der stotternde Dorftrottel?
Fazit des Abends: Ja, viele Wünsche der musikalischen Erwartungshaltung sind erfüllt worden, die aufgeworfenen Fragen wurden angeschnitten. Gerade Marie und Hans zeigen eine Entwicklung zu selbstbewussten jungen Menschen an der Schwelle zum Erwachsensein.
Christian von Götz hat in seiner Regiearbeit Nationaloper Nationaloper sein lassen. Herausgekommen ist ein greller, fast clownesker Bilderbogen. Dieser hat durchaus seine populistische Wirkung und schafft mit dem variablen Bühnenbild Dieter Richters wirkungsvolle Massenszenen. Der Einsatz der Drehbühne mit ihren Räumen für Maries Zimmer, der Gaststube und des Saals sowie von Kezals Reich ermöglicht schnelle Wechsel. Dennoch, manches davon, speziell in Kostüm und Haarvariation (Sarah Mittenbühler) ist einfach zu viel des Guten. Vor allem der wie gewohnt schön klingende wie kraftvolle Chor (Einstudierung Alexander Stessin) hat mit den Tücken dieser Ausstattung in Abstimmungsnuancen zu kämpfen. Besonders hart trifft es Franz Xaver Schlecht als Kruschina.
Überhaupt fragt man sich, ob die Verlagerung der Handlung in die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts notwendig war. Nur, um der Zigarette von Agnes und der Fotografiesucht Wenzels Platz zu gewähren? Verzichten könnte auch Kezal auf seine Konfettiwürfe.
Zum ärgerlichen Knackpunkt für etliche Besucher mutiert die schier endlose Wendeltreppe im Hause Kezal als gutgemeintes Symbol für dessen Streben nach hohen Vermittlungszahlen und Projektionsfläche mit zahlreichen Fotografien der Erfolge.
Insgesamt jedoch überwiegt das Positive. Ungeteilten Beifall erntet die aktionsreiche Zirkusszene. Hier kann Martin Petzold als Zirkusdirektor all seine Erfahrung aus der Gestaltung vielschichtiger Rollen einbringen. Auch der Bär, der bereits im Wirtshaus einer Primaballerina zur Ehre gereichte, kann da noch einmal brillieren. Dem Indianerhäuptling ist seitens der Regie jedoch etliches von seiner Würde genommen worden.
Wie bereits erwähnt: Viel Gutes steht auf der musikalischen Haben-Seite. Die beginnt beim Gewandhausorchester unter dem Dirigat von Christoph Gedschold. Schon in der Ouvertüre wird die in der Partitur verankerte Klangpracht entfaltet, leuchten anfangs die hellen und dunklen Streicher, verkündet das Schlagzeug Dunkles im Geschehen, sorgen Holz- und Blechbläser für die Feinheiten. Und dies wird bis zum Schluss beibehalten, trifft Seele und Kolorit dieser Oper.
Für Magdalena Hinterdobler ist die Marie das Rollendebut. Sie singt diese, als hätte sie das schon hundert Mal getan. Aber vielleicht ist dies gerade das unbezahlbare Pfund für so viel Farbigkeit des Soprans, die Natürlichkeit und Textverständlichkeit. Ihr gelingt auch bravourös der Wechsel vom Buffo zum Verismo des „Endlich allein“. In der Doppelbesetzung (der einzigen) wird Olena Tokar zu erleben sein und wird dies wohl ebenso meistern. Patrick Vogel ist Hinterdobler ein ebenbürtiger Partner, vor allem im Textverständnis. Wünscht man sich bei ihm ab und an mehr Fein-lyrisches, die Hürde bei „Weit von hier“ meistert er souverän. An Vielschichtigkeit einer Bass-Stimme ist Sebastian Pilgrim kaum zu überbieten. Sie perlt und donnert sozusagen an allen Ecken. In der Gestaltung wäre etwas feinsinnigerer Humor wünschenswert. Auch Sven Hjörleifsson als Wenzel überzeugt mit seinem Tenor, gibt dem Stottern seine Würde. Allerdings bleibt ihm im Gegensatz zu Marie und Hans seitens der Regie eine Entwicklung versagt.
Auch die vermeintlich kleineren Partien (siehe Annotation) erfüllen den Anspruch besten Musiktheaters. Wie gut sie dies tun, davon zeugen besonders die kleineren Quin- und Sextetts im dritten Akt. Sie werden zu musikalischen Schmäckerchen. Eingedenk manchen Einwands, der erhebliche Jubel für alle mit Standing Ovations ist berechtigt. Auch die Wahl der Wiedergabe in Deutsch dürfte daran ihren Anteil haben.
Annotation
„Die verkaufte Braut“, Komische Oper in drei Akten von Bedrich Smetana (Libretto von Karel Sabina, Deutsch von Max Kalbeck) an der Oper Leipzig. Premiere 15.6.2019, veröffentlicht 17.6.2019. Musikalische Leitung Christoph Gedschold, Inszenierung Christian von Götz, Bühne Dieter Richter, Kostüme Sarah Mittenbühler, Licht Raoul Brosch, Choreinstudierung Alexander Stessin, Dramaturgie Christian Geltinger, Opernchor, Gewandhausorchester. Mitwirkende: Kathinka, Sandra Maxheimer; Marie Magdalena Hinterdobler (es alterniert Olena Tokar); Agnes, Sandra Janke; Esmeralda, Bianca Tognocchi; Kruschina, Franz Xaver Schlecht; Micha, Jean-Baptiste Mouret; Wenzel, Sven Hjörleifsson; Hans, Patrick Vogel; Kezal, Sebastian Pilgrim; Zirkusdirektor Springer, Martin Petzold; Muff, Jakob Kunath
Was noch?
Folgetermine in 2019:
23.06., 18.00 Uhr
30.06., 18.00 Uhr
25.08., 18.00 Uhr
01.09., 18.00 Uhr
20.09., 19.00 Uhr
Credits
Alle Fotos: © KirstenNijhof / Oper Leipzig