Richard Wagners Oper Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg feierte am 04.03.2012 in Meiningen seine Wiederaufnahmepremiere. Der geneigte Zuhörer besuchte am 10.03.2012 die als vorletzte Vorstellung angekündigte Aufführung, um nach dem Besuch der Premiere am 26.03.2010 noch einmal die Geschehnisse um und auf der Wartburg zu verfolgen.
Von Ronny Steinkopf
„Kaum ein Schauplatz aus einer Wagneroper lässt sich geographisch so punktgenau ausmachen, wie der des Tannhäuser […] und das originale nationale Heiligtum grüßt heute noch jeden Autobahnbenutzer so majestätisch wie einst die reisenden Ritter“, so steht es im Feuilleton des Freien Worts vom 29.03.2010. In Erinnerung dieses umjubelten Premierenabends vom 26.03.2010 blieben dem Meiningen-Fan sowohl die fabelhaften Sängerinnen und Sänger als auch die außergewöhnliche Bühnenkonzeption. „Gespielt wird die Dresdner Fassung von 1845“, so steht es in der Meininger Theaterzeitung vom März 2010. „Zwei Seelen wohnen, ach in meiner Brust“ denkt sich da der Opernliebhaber, der während der Spielzeiten 05/06 und 06/07 aus beruflichen Gründen in Meiningen weilte und auf den Geschmack kam. Nach der Sanierung und Verschönerung des Großen Hauses (Zuschauersaal, Foyers) sowie den Umbauarbeiten des Bühnenbereiches samt Orchestergraben lohnt sich doppelt die Fahrt ins Meininger Theater.
Aufgrund des Ausscheidens einiger Sänger aus dem Musiktheaterensemble zum Ende der Spielzeit 10/11 erfolgten für die Wiederaufnahme Umbesetzungen in einigen Gesangspartien. Mit Spannung fieberte der Besucher der Gestaltung der Elisabeth und der Venus in einer Doppelrolle durch Bettine Kampp zu. Ihr Stimmvolumen, ihr Gesang samt Technik, ihre Interpretation zu vorderst der Rolle der Elisabeth, damals zur Premiere 2010 als Gast, seit dieser Spielzeit fest im Ensemble des Meininger Theaters, lassen das Herz der Zuhörer höher schlagen. Ihre Stimme ist sowohl zu zartem Gesang als auch zu dramatischen Ausbrüchen fähig. Sowohl ihr grandioser Auftritt mit der Hallen-Arie zu Beginn des zweiten Aufzugs als auch inniges Gebet im dritten Aufzug bleiben fest im Gedächtnis des Rezensenten haften. Bravo-Rufe und Beifallsstürme nach jedem Aufzug waren der Lohn für diese sängerische Höchstleistung. Nach dem Hans-Georg Priese in der Premierenvorstellung dem Tannhäuser seine fabelhafte Stimme verlieh, konnten die Besucher am 10.03.2012 Lawrence Bakst in selbiger Rolle erleben. Seine Bewegungen auf der Bühne verwunderten bzw. irritierten mich etwas im Verlauf des ersten Aufzuges, so dass ich mich in der Pause bei Mitarbeitern des Hauses über ihn erkundigte. Mir wurde gesagt, dass seine Sehkraft stark eingeschränkt ist und vor dem Hintergrund dieser Information muss man als Zuschauer nur den Hut ziehen, zumal er als Gast nur wenige Male in der Haagschen Inszenierung spielen wird. Gesanglich bewältigte Lawrence Bakst die Partie des Tannhäuser mühelos und erhielt deshalb verdient bereits zum Ende des ersten Aufzugs Bravo-Rufe und stürmischen Beifall, der natürlich auch den anderen Sängern des Ensembles, dem Opernchor und dem fabelhaften Orchester galt. Fels in der Brandung der sich immer wieder verändernden Ensemblebesetzungen ist Dae-Hee Shin. Er gab bereits in der Tannhäuser-Premiere den Wolfram von Eschenbach und so auch wieder in der Wiederaufnahme-Spielzeit 11/12. Allein schon seine Textverständlichkeit lohnt jede Fahrt ins Meininger Theater. Sein Amfortas im Parsifal war in den Spielzeiten 08/09 (Premiere am 28.03.2009) und 09/10 (Wiederaufnahme) sowie insbesondere am Karfreitag des Jahres 2009 die Sensation schlecht hin. Zu seiner ausgezeichneten Wortdeutlichkeit in Wagner-Opern gesellt sich noch seine herrlich schöne Bariton-Stimme (traumhaft das Lied an den Abendstern) und sein fabelhaftes Spiel samt Mimik und Gestik. Bei Dae-Hee Shin erkennt der Opernliebhaber am besten den über Jahre hinweg verfolgten Entwicklungsprozess, zumal Shin seit der Spielzeit 03/04 festes Ensemblemitglied des Meiniger Theaters ist. Der Jubel des Publikums gilt am Ende der knapp vierstündigen Aufführung allen beteiligten Sängerinnen und Sängern, dem phänomenalen Chor und Extrachor und der Meininger Hofkapelle unter der Leitung von GMD Philippe Bach. Was Hans Urbanek in punkto Wagner-Klang mit Parsifal und Tannhäuser begann, setzte Philippe Bach bereits mit seiner Interpretation des Rienzi (Open-Air Produktion im Sommer 2011) sowie mit der Wiederaufnahme des Tannhäuser fort. Man ist bereits auf Tristan und Isolde im Wagner-Jahr 2013 in Meiningen gespannt.
Zurück zur Bühne: was macht sie außergewöhnlich? Das Bühnenbild ist zeitlos schlicht (manche würden sparsam sagen) und doch interessant gemacht. Während der Ouvertüre öffnet sich der Vorhang und man entführt uns im ersten Aufzug in die Höhle der Venus im Hörselberg. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Auf einer mit Gewändern ausgekleideten Erhebung liegt Tannhäuser in Venus Armen. Umgeben sind beide von Tanzpaaren des Eisenacher Balletts. Die sehenswerte Choreographie versetzt den erstaunten Zuschauer in Venus Liebeshöhle und lässt gleichzeitig bei den ersichtlichen Verführungskünsten seiner Fantasie freien Lauf. Die Tänzer beginnen zwischen längs gespannten Seilen rote Fäden zu knüpfen. Es entsteht ein Geflecht, ein Netz, in dem sich Tannhäuser immer wieder verfängt. Und dann gelingt es ihm doch sich aus ihren Fängen zu befreien und er steigt mit Hilfe einer Himmelsleiter aus dem Venusberg ins Tal vor der Wartburg auf. Das macht einen weiteren Reiz der Bühnenkonzeption aus. Während Tannhäuser auf der Leiter Sprosse um Sprosse erklimmt, entschwebt der Venusberg (Bodenplatte) Richtung Schnürboden. Sie wird im zweiten Aufzug zur Sängersaaldecke auf der Wartburg. Tannhäuser kann die erklommenen Sprossen wieder hinabsteigen und befindet sich im Tal vor der Wartburg. Beeindruckend gemacht! Die Erhebung bleibt zurück und somit hat die Saaldecke einen sternenförmigen Ausschnitt. Der Hinweis auf den Abendstern.
Als Fazit des Abends lässt sich unübertroffen sagen, dass Freunde der Wagner-Opern voll auf ihre Kosten kommen und sich deshalb die letzte Aufführung nicht entgehen lassen sollten.
Eine Silber glänzende Broschüre zum Wagner-Jahr 2013 lag am 10.03.2012 passend zur Tannhäuser-Vorstellung an der Kasse und den Informationsständen aus. Sie informiert u. a. darüber, dass die Oper „Tristan und Isolde“ am 01.03.2013 ihre Premiere in Meiningen feiern wird. Die Oper „Das Liebesverbot“ kommt ab dem 02.02.2013 wieder in den Spielplan und die Oper „Tannhäuser“ gibt es halbszenisch in Eisenach auf der Wartburg, am Originalschauplatz.
Termine unter: www.das-meininger-theater.de
Besucht am 10.03.2012