Friedrich Schillers „Maria Stuart“ im Leipziger Schauspielhaus.
Ein volles Haus am Premierenabend im Leipziger Schauspielhaus. Die Bühne ist in zeitloses tiefes Schwarz getaucht. Ein menschengroßer, silberner Käfig baumelt im Zentrum der Bühne. Es gibt keine Landschaft, keinen Himmel, allein die Bodenhaftung der Darsteller lässt oben und unten erkennbar werden.
Von Petra Kießling
Die Bühne ragt abschüssig in den Zuschauerraum des Leipziger Schauspielhauses. Geländer, wie praktische Fahrradständer, erst abgeklappt und im Verlaufe des Abends aufgestellt, dienen sie der Interaktion der Akteure, und vielleicht auch zur Entlastung der Beine derselben. Offensichtlich verzichtet Bühnenbildner Harald B. Thor auf historische Zitate, welche den Zuschauer von Handlung und Text ablenken könnten. Im sachlichen Berichtstil könnte dieser Text fortgesetzt werden. Denn auf der Bühne passierte so gut wie nichts, ein Thilo Krügel als Shrewsbury im Rollstuhl sitzend – nur ein Narr wollte dies deuten. Die plumpe Metapher mit dem Käfig für die Titelfigur „Maria Stuart“, gespielt von einer farblosen Anna Keil, mit bleiernen Schuhen und einem Büßerhemdchen ausgestattet, eher wie eine Jeanne d´Arc, sich trotzig in ihr Schicksal spielend. Zwischen jedem Szenenwechsel krachte es ordentlich, wie eine Sequenz aus einem Hardrock-Konzert. Sehr avantgardistisch, die tonalen Einfälle des musikalischen Leiters Bastian Wegner. Dunkel, ein Krachen, dann wieder hell? Und das gesamte Stück wickelte sich dann ab wie die elektronischen Lautsprecherdurchsagen an vielen bundesdeutschen Bahnhöfen.
Doch es ist ein Stück von Friedrich Schiller und es ist über zweihundert Jahre alt. Und es hat, im übertragenen Sinne, in keiner Weise an Bedeutung verloren. Doch will die, durchaus respektvoll entworfene Inszenierung, den Schleier der Zeit zwischen den Klassiker und den Zuschauer von heute hängen. Will der Regisseur Georg Schmiedleitner alle Zeit zwischen der Geschichte und unserer heutigen Welt verwischen, alle Nuancen abschleifen? Kein Neo-, kein sentimentales historisches Zitat, alles glatt, aalglatt wie in der Frankfurter Bankerszene? So lässt er die Figuren agieren und so sind sie ausgestattet. Die zwei, durch den Kampf um die Macht und die instrumentalisierte, auch kriegerische Glaubensdiversität, gegeneinander aufgebrachten Frauen-Figuren begegnen sich, umgeben von Männern, die im Ränkespiel zu Hause sind. Bei Schiller stehen sich personifiziertes Kalkül und Hysterie gegenüber. Doch Schiller berücksichtigt einen ganz wichtigen Aspekt, bei allen Kontrasten und Widersprüchen zwischen Maria Stuart und Elisabeth I.: Beide wurden zu Königinnen erzogen und bringen aus diesem Grund auch jede etwas von der jeweils anderen in die Dramaturgie ein. Sie sind von Kindheit an auf Verstellung und Inszenierung gedrillt. Das heißt, jede Schauspielerin steht vor der fasst unlösbar scheinenden Aufgabe, eine Schauspielerin zu verkörpern. Und es fällt besonders in diesem Stück von Schiller auf, dass es nur für die Elisabeth einen Moment des Alleinseins gibt. Das ist einer der wichtigsten Momente, in denen sie sich selbst und der Rivalin ein Stück Authentizität zurückgeben kann. Eben diese Szenen der Dramatik, der Arabesken des Spiels, bekamen zu wenig Raum in der Inszenierung von Schmiedleitner. Alles fühlt sich gleich an, die Stimmen, die Gesten und die Interaktionen. Die Elisabeth I., gespielt von der wunderbaren Bettina Schmidt, war einer der Lichtblicke an diesem Abend. Sie spielte den Widerspruch, der ihrer Figur innewohnt, frei und sublim. Sie reflektierte mit Körpersprache und Stimmlage die Kämpfe der doppelzüngigen Charaktere des Hofes, denen sie nicht trauen kann. Hin- und hergerissen zwischen den schlagkräftigen Argumenten des Intriganten Burleigh – überraschend, jedoch ohne Einfluss auf die Dramaturgie des Stücks, von einer Frau (Anne Cathrin Buhtz) gespielt – und fast verführt von den heuchlerischen Schmeicheleien des Mortimer, Geliebter der Maria und von Felix Axel Preißler glaubwürdig in Szene gesetzt. Die wankelmütige Figur des Sir Robert Dudley, Graf von Leicester und Geliebter der Königin Elisabeth I., gespielt von Andreas Keller, der wenigstens den eigenen Charakter auf die Bühne brachte.
Ein wesentlicher Aspekt des Werkes von Schiller ist die Einsamkeit der Macht. Diese zeichnet die Schmidt mit Gestus, Mimik und ihrem feinsinnig sprachlichen Stil herausragend auf die Bühne. Doch Anna Keil, in der Rolle der Maria Stuart, fehlt das Spiel einer Königin. Sie ist nicht zu spüren, es fehlen neben den Szenen des Wahnsinns, der Naivität, vor allem die Momente der Erhabenheit. Die Emotionalität ist Marias aktive Waffe, doch die spielt Anna Keil nicht aus, dass Spiel im Spiel gelingt ihr nicht. Beispielsweise in der Szene, in der sie um die Gnade der Elisabeth bittet und schauspielerische Demut zeigen müsste, fehlt es an darstellerischer Kraft. Der Ausdruck der Verschlagenen, der Kennerin des höfischen Spiels, der hier nötig wäre, ist nicht zu erkennen. Bei geschlossenen Augen, um die stimmliche Dramaturgie noch besser aufspüren zu können, gab es ebenfalls zu lineare Intonationen oder Deklamation.
Die Schlussszene mit zwei symmetrisch angeordneten, unsynchron sich zu Grimmassen verzerrenden Portraits einer Frau, als filmische schwarzweiß Projektion, im oberen Bereich der Bühne, links und rechts und dazwischen der Käfig mit Maria, ließ dann doch auch das Bühnenbild ein Stück Dramatik erkennen. Der nahende Tod der Maria Stuart, durch die Königin zur Ausführung befohlen, bekam durch das königliche Rot des Kleides der Titelfigur, jedenfalls optisch die Erhabenheit jener tragischen Szene. Maria spielt, jedenfalls bei Schiller, ihre Rolle, und sucht Zuflucht im Gebet. Begleitet von Vertrauten, stirbt sie für die katholischen Gegenspieler des damaligen Englands der Elisabeth I., als Märtyrerin und sicherte sich so ihren Platz in der Geschichte. Doch die Schlussszene gehört der Königin, dem wunderbaren Spiel der Bettina Schmidt, wobei die Schuldfrage an Marias Hinrichtung – wie bei Schiller – gewollt ungeklärt bleibt.
Annotation:
Friedrich Schillers „Maria Stuart“, Premiere am Samstag, den 31. Januar 2015 im Leipziger Schauspielhaus, eine Inszenierung von Georg Schmiedleitner///
Regie/// Georg Schmiedleitner
Bühne/// Harald B. Thor
Kostüme/// Cornelia Kraske
Musik/// Bastian Wegner
Dramaturgie/// Matthias Huber
Licht/// Veit-Rüdiger Griess
Besetzung///
Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh/// Anne Cathrin Buhtz
Maria Stuart, Königin von Schottland, Gefangene in England/// Anna Keil
Robert Dudley, Graf von Leicester/// Andreas Keller
Georg Talbot, Graf von Shrewsbury/// Tilo Krügel
Amias Paulet, Hüter der Maria/// Denis Petković
Mortimer, Neffe von Paulet/// Felix Axel Preißler
Elisabeth, Königin von England/// Bettina Schmidt
Graf Aubespine, französischer Gesandter/// Sebastian Tessenow
Premiere/// 31. Januar 2015
Spieldauer: ca. 1:45, keine Pause
Weitere Aufführungen im Schauspielhaus:
(Quelle: http://www.schauspiel-leipzig.de/buehnen/grosse-buehne/inszenierungen/maria-stuart/)
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