Das es einmal nicht irgendwelcher Deutungsversuche oder der Erscheinung anderer Transportmittel als Alternative zum Schiff bedarf, beweist derzeit die mit breiter Zustimmung wie Jubel bedachte Inszenierung von Giacomo Puccinis „Madame Butterfly“ am Eduard-von- Winterstein-Theater Annaberg.
Regisseur Rainer Wenke und sein Ausstatter Robert Schrag vertrauen dabei ganz den Librettisten Luigi Illica und Giuseppe Giacosa, der genialen Musik Giacomo Puccinis und nicht zuletzt der Übersetzung von Joachim Herz und Klaus Schlegel. So wird es möglich, dass auch bei einer Ausstattung, die das vom Publikum so oft erhoffte Japanflair per hellen Farben bedient, kein antiquiertes Theater ersteht, man Damaliges und Heutiges deutlich spürt.
Doch Wenke und Schrag setzen noch auf ein anderes Vertrauen im Wissen um das Gesangs- und Darstellungspotential ihrer Titelheldin. Mit Bettina Grothkopf steht und fällt das Inszenierungskonzept in wesentlichen Teilen. Gesanglich bringt sie alle Nuancen der Klangwelt Puccinis zum Erblühen. Ihr Sopran macht alle Freude, alles Hoffen und Bestürztsein, das Leid und letztendlich die starke Frau erlebbar. Ädequat dazu in Mimik und Gestik die Gestaltung der Titelpartie. Eine phänomenale Leistung! Wenkes Regie ermöglicht es ihr, dass der Harakiri in diskreter Weise tief berührt.
Das Annaberger Theater spielt noch weitere Trümpfe aus. Mit seinen kleinen Musiktheaterensemble werden alle Partien hauseigen besetzt! An großen Häusern kaum üblich. Ohne einen Tenor, der glaubhaft und mit tenoraler Strahlkraft die Partie des Linkerton gestalten kann, sollte man Puccinis Werk nicht auf den Spielplan setzen. Doch mit Frank Unger ist ein solcher präsent! Er bringt schon allein figürlich die Voraussetzungen für einen Marineoffizier mit, entfaltet tenoralen Glanz speziell in seiner Arie „Leb wohl, Blütenparadies“, steigert diesen förmlich aus dem Stand heraus in den „Butterfly“-Rufen am Schluss der Tragödie.
Alle weiteren Partien hinterlassen in Regieanlage und Gestaltung ebenfalls gute Eindrücke. Drei seien noch besonders gewürdigt. Therese Fauser überrascht mit einer intensiven Formung von Treue und Mitleiden als Dienerin Suzuki. So bekommt man dies auch nicht alle Tage zu sehen! Variabel setzt sie dabei ihren schönen Alt ein. Marcus Sandmann überzeugt als Goro mit enormer Textverständlichkeit, formt buffonesk per Stimme und Spiel die scheinbare Unterwürfigkeit und vor allem das Verschlagene des Heiratsvermittlers. Mit seinem voluminösen warm klingenden Bariton gibt Jason-Nandor Tomory den Konsul Sharpless, verleiht ihm Würde bei den Mahnungen an Linkerton und dem Mitfühlen mit Butterfly.
Der mit dem Extrachor und Mitgliedern der Freien Chorvereinigung Coruso e.V. verstärkte Chor des Winterstein-Theaters unter der Leitung von Uwe Hanke übernimmt vorrangig die kleineren Partien des Werkes, erklingt homogen klangschön. Bei der Hochzeitszeremonie wird das auch aktuell übliche Mißtrauen gegenüber dem Fremden gut verdeutlicht.
Intensiv glutvoll formt GMD Naoshi Takahashi mit der Erzgebirgischen Philharmonie Aue die musikalischen Farben jenes Werkes, das in seiner Heimat spielt. Für den großen Orchesterapparat werden auch die Seitenlogen benötigt (Schlagwerk, Harfe). Dadurch entsteht bei aller Klangschönheit die Gefahr, per Lautstärke Geschehen auf der Bühne zuzudecken.
Im Zusammenwirken mit dem Bühnenbild Robert Schrags erwächst im symphonischen Zwischenspiel zwischen 2. und 3. Akt in der Erwartung Linkertons der emotionale wie musikalische Höhepunkt des Opernabends. Bei Bettina Grothkopfs „Eines Tages“ ohnehin.
Frieder Krause
Bilder: (c) Dirk Rückschloß (bur-Werbung)
ANNOTATION
Madame Butterfly, Japanische Tragödie in drei Akten von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa, Musik von Giacomo Puccini, Deutsch von Joachim Herz und Klaus Schlegel
Musikalische Leitung GMD Naoshi Takahashi
Inszenierung Rainer Wenke
Ausstattung Robert Schrag
Chöre Uwe Hanke
Dramaturgie Annelen Hasselwander
Cio-Cio-San, genannt Butterfly Bettina Grothkopf
Suzuki, ihre Dienerin Therese Fauser
Benjamin Franklin Linkerton,
Leutnant der US-Marine Frank Unger
Sharpless, amerikanischer
Konsul in Nagasaki Jason-Nandor Tomory
Goro, Heiratsvermittler Marcus Sandmann
Chor und Extrachor des Eduard-von Winterstein-Theaters
Mitglieder der Freien Chorvereinigung Curoso e.V.
Es spielt die Erzgebirgische Philharmonie Aue.
Weitere Vorführungstermine
01.04.2017, 19.30 Uhr
17.04.2017, 19.00 Uhr (Ostermontag)
29.04.2017, 19.30 Uhr
12.05.2017, 19.30 Uhr