Ein Wasser und einen Regieknopf für Herrn Meyer, bitte!
Auch bei langer Berufserfahrung kommt es vor, dass Berichterstatter ratlos werden. Wie sag ich‘s nun am besten? Die Sache ist nämlich dahin gehend kompliziert: Ein persönlich geschätzter Autor hat sich auf ein Terrain begeben, auf dem die Akteure nach anderen Kriterien gemessen werden. Konkret: Clemens Meyer moderierte erstmals im Leben eine Talk-Show und das auf der großen Bühne des Centraltheaters Leipzig.
Von Moritz Jähnig
Irgendwie vorbildhaft waren vermutlich Fernsehendungen mit Olaf Schubert oder dem Klasse-Duo Joachim Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf in „neoParadise“. Inhaltlich soll es in der Veranstaltungsreihe irgendwie um Dinge und Tiere gehen, die den Künstler auch privat irgendwie berühren. Tier der Wahl am ersten Abend war die Maus. Clemens Meyer erzählte eingangs höchst amüsant, wie ihn ein solcher frecher Nager nach seiner Rückkehr aus New York in der Reudnitzer Paterrewohnung ärgerte.
Die Bühne war für seinen Auftritt folgendermaßen gestaltet, von links nach rechts: Ein Maler malt während der Show ein putziges Mäuseporträt. Das ist ein Beitrag des Leipziger Ladens für Nichts, den Clemens Meyer sehr schätzt. Dann steht weiter rechts der obligate Talkmaster-Schreibtisch, so wie er auch für einen Thomas Gottschalk dastünde. Darauf ein Chaos aus Bierflaschen, Whisky, Wein, Gläser, Bücher, Zettel.
Der Schriftsteller benutzt zum Talk ein Handmikro, was er wirklich braucht, das ihn allerdings in seiner Bewegung behindert. Außerdem ist es unfair seinen Gästen gegenüber, die ohne Tonanlage in dem nicht wirklich ausverkaufen großen Saal verständlich sein sollen.
In der Mitte Bühne eine Leinwand. Es werden Videos und Live-Aufnahmen mit der Handkamera projiziert. Unter der Leinwand sitzen die festlich gekleideten Damen und Herren des Leipziger Johann Strauß Chores. Der Chor übernimmt dramaturgisch viele Funktionen: lockert auf, bricht das Thema, tröstet. „Schön das es Euch gibt“, dachte ich gelegentlich. Operette rettet Talkformat.
Rechts der Leinwand haben drei Schauspielstudenten ihren Platz, die einen aktuell verfassten Meyer-Text dialogisch gestaltet vortragen. Noch weiter rechts ist der Platz eines Keyboarders.
Gefallen hat mir an dem Abend eigentlich sehr viel: die Mischung, die gedankliche Klammer, die überraschenden Einfälle, die Projektion vom Schreibtisch-Chaos-Geschehen auf die Großleinwand. „Ä einzsches Gewärsche“, wie der Sachse sagt.
Gäste waren eine Veterinärmedizinerin mit dem neuesten Wissen zum Verhalten von Labormäusen und Rupperts Mäusezirkus. Ich erinnere mich, über Rupperts Mäusezirkus schon als Volontär geschrieben zu haben. Da ist Clemens Meyer gerade geboren worden. Die Veterinärmedizinerin tat mit etwas leid.
Was diese neue Veranstaltung satirisch wirklich leisten kann, ließ das Telefoninterview ahnen, das der Talkmaster mit einer enthusiastischen Maus-Spezialistin führte. An dieser Stelle trat aber auch die größte Schwäche unübersehbar zutage: Das Gespräch zog und zog sich hin und wurde langweilig. Meyer fand kein Ende. Bei den Versuchen, immer noch mehr Dusligkeiten herauszukitzeln, wurde es auf dem feinen Grat zwischen Witz und Gemeinheit gefährlich eng.
In der nächsten Folge sollte auf der Bühne tontechnische Gleichberechtigung für alle garantiert sein und Herr Meyer sollte einen „Regieknopf“ ins Ohr bekommen. Über den Regieknopf muss dem Künstler wenn nötig gesagt werden: Jetzt abbrechen! Zeit läuft weg, Publikum auch!
Premiere 02.03.2012
Termine unter www.centraltheater-leipzig.de