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Leipzig: Rot rauscht die See

Leipzig: Rot rauscht die See

Wiederaufnahme der effektvollen Inszenierung „Der fliegende Holländer“ mit Christoph Gedschold am Pult des Gewandhausorchesters

Drei Folgetermine kündigt Leipzigs Oper für die mit großem Jubel aufgenommene Inszenierung von Michiel Dijkema aus dem Jahr 2019 an. Die Premiere dirigierte der damalige Intendant Ulf Schirmer, dessen über viele Spielzeiten anhaltendem konzeptionellen Elan es zu danken ist, dass Leipzig alle 13 Wagner-Opern im Repertpoire hat und als touristischen Joker zu ziehen in der Lage wäre.

Von Moritz Jähnig

Aufnahme „Der fliegende Holländer“ vom 20.3.2019 mit Christiane Libor (Senta, oben r.) und Ensemble

Die Geschichte vom untoten Seefahrer, den nur die Treue einer Frau von seinem traurigen Schicksal zu erlösen vermag, hat Richard Wagner groß und emotional vertont. Doch das genügt dem Inszenierungsteam nicht. Es erzählt den romantischen Stoff nicht wirklich schaurig, sondern fügt mit literarischen Zitaten eine weitere Ebene hinzu. Es sind Texte „Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ von Heinrich Heine im witzig-ironischen Plauderton. Das aus ihnen sprechende leichte Gefühl wollte Regisseur und Bühnenbildner Dijkema auf der Szene erzeugen. Doch unter dem Strich gelangen ihm die lockeren Szenen weniger. Er führt optisch effektvolles Überwältigungstheater auf – und dafür wurde er zurecht gefeiert.

Ein Abend voller Erwartung
So am vergangenen Sonntag in einem voll besetzten Opernhaus. Bereits an der Abendkasse bildeten sich lange Schlangen junger Leute. Der Vorhang hob sich pünktlich mit zehn Minuten Verspätung, was die festliche und erwartungsvolle Atmosphäre keineswegs störte. Die Besetzung weckte mit neuen Namen die Neugier und verlieh dem Abend einen Hauch von Premiere.

Ein Holländer mit Strahlkraft
In der Titelpartie glänzte der in Saarbrücken beheimatete isländische Bariton Ólafur Sigurdarson. Seit vier Jahren mit Bayreuther Festspielen verbunden, wo er u.a. Alberich und Kurwenal gestaltete, bewies er sich als Wagner-Interpret von europäischem Format. Er sang mit hoher Strahlkraft. Sein Holländer auf der Leipziger Wagner-Bühne, die ja auch mit Festivals liebäugelt, war konzentriert und präzise. Allerdings vermisste man den dämonischen Aspekt als die andere schreckliche Seite der Figur. Neugierig darf man bleiben: 2025 wird Sigurdarson als Scarpia in „Tosca“ zu erleben sein, einer seiner weiteren Paraderollen.

Ein Ensemble von beeindruckender Stimmqualität
Martina Welschenbach, die 2023 als Ellen im Leipziger „Peter Grimes“ unter dem Dirigat Christoph Gedscholds begeisterte, sang jugendlich-kraftvoll eine Senta von außergewöhnlicher Stimmschönheit.

Ulrike Schneider als Mary und Yorck Felix Speer als Daland komplettierten das Ensemble des Abends musikalisch tadellos. Brenden Gunnell formt seinen Eric trotz der verpflichtenden  Ironisierungen überzeugend zu einer lebendigen, leidensfähigen Figur.

Ein Klangrausch mit dem Gewandhausorchester
Das Gewandhausorchester setzte auf Lautstärke als Trumpf. Dies führte dazu, dass die Solisten und der Chor phasenweise zu einem regelrechten Schmettern herausgefordert wurden.

Das Leipziger Publikum und darüber hinaus sollte sich unbedingt Zeit für einen neuerlichen Besuch des „Fliegenden Holländer“ nehmen. Er bereichert und klingt lange nach.

Annotation

„Der Fliegende Holländer“. Romantische Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner. Text vom Komponisten. Oper Leipzig.

Musikalische Leitung: Christoph Gedschold, Inszenierung und Bühne: Michiel Dijkema, Kostüme: Jula Reindell, Licht: Michael Fischer, Dramaturgie: Elisabeth Kühne

Besetzung

Senta: Martina Welschenbach, Mary: Ulrike Schneider, Der Holländer: Ólafur Sigurdarson / Derrick Ballard, Daland: Yorck Felix Speer, Erik: Brenden Gunnell, Der Steuermann: Dan Karlström, Chor und Zusatzchor der Oper Leipzig, Komparserie, Gewandhausorchester Leipzig

Premiere 2019; Wiederaufnahme und besuchte Vorstellung 15.9.2024; veröffentlicht 16.9.2024; weitere Vorstellungen 28.,09., 5.10. und 20. 10.2024

Credits

Text: Moritz Jähnig, freier Theaterkritiker, Leipzig

Foto: Tom Schulze

Blick ins Archiv 23.4.2019

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