Späte Wiederaufnahme von Claudia Bauers “Meister und Margarita”-Inszenierung
Das Schauspiel Leipzig weiß wirkliche Überraschungen aus der Schulblade zu zaubern! So ist jetzt nach einer Wiederaufnahme „Der Meister und Margarita“ nach dem Roman von Michael Bulgakow erlebbar.
Von Moritz Jähnig
I’m a creator, I’m a destroyer“ – der erste vom live-Duo gesungene Satz wird in den folgenden fast zweieinhalb Stunden inhaltlich zum roten Faden der von der Regisseurin aus dem russischen Jahrhundertroman gewählten Szenen.
Er beschreibt auch das Gestaltungsprinzip des großartig sparsamen Bühnenraumes von Andreas Auerbach, der anpackenden Videosequenzen, die Gabriele Arnold und Kai Schadeberg über die Szenen blenden, und der Lichtführung von Veit-Rüdiger Gries. Sie vereinen sich zu einem vielfarbigen und mitreißenden Bild auf der Bühne im Schauspielhaus Leipzig.
Wobei das nicht ganz korrekt ist, denn auf dieser Bühne spiegelt sich der Zuschauerraum des Hauses in der Bosestraße mit seinem prachtvollen Kronleuchter und brauner Wandtäfelung.
Zu Beginn sitzen die Darsteller in einer Sesselreihe ihrem Publikum gegenüber und geigen dem mal so richtig von Herzen die Meinung. Denn nicht nur der Zuschauer hat Erwartungen an die Schauspieler. Auch die Schauspieler erwarten vom Zuschauer mehr als pures Zuschauen. Der launig kabarettistische Einstand macht im Handumdrehen den Ernst des verhandelten Themas klar. Schnell begreift der letzte, worum es in diesem Text geht: die persönliche Befreiung.
Der Teufel ist über die Stadt gekommen. In Person des Professor Woland (Dirk Lange), tritt er als Illusionist im Theater auf und stiftet Unheil zwischen den Bewohnern einer Kommunalka. Dabei treibt er, ein „Teil jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“, den bemitleidenswerten Nachbarn Besdomny (Julius Forster) in die Klapse. Doch dort lernt der den „Meister“ kennen, einen Schriftsteller (Thomas Braungardt), der an seinem Buch über Pontius Pilatus zusammengebrochen ist. Das Mädchen Margarita (Julia Preuß) rettet dem Lebensmüden wundersam den Nachruhm.
Dann geht es noch um die biblische Wahrheit in der Geschichte eines gewissen Jeschua (Julius Förster), den Pilatus (Wenzel Banneyer) und Kaiphas (Tilo Krügel) ans Kreuz nageln lassen.
So verwirrend alles klingt, so soll es sein und ist es auch. Claudia Bauer strafft die Stories, verknüpft ihre Handlungsebenen und formt ein gewaltiges, beeindruckendes Theaterspektakel. Das spielfreudige Leipziger Ensemble in wechselnden Rollen geht temporeich mit. So kommt eine Show voll sehenswerter Groteske zustande, deren Besuch empfohlen sei.
Premierenrezension von Henner Kotte, hier schienen am 14.04.2020.
Angemerkt sei die bedauernde Frage, warum die mit großem Beifall aufgenommene Wiederaufnahme in Leipzig so spät kommt. „Meister und Magarita“ bereichert das Repertoire.
Annotation
„Meister und Magarita“ nach dem Roman von Michail Bulgakow, aus dem Russischen von Alexander Nitzberg, für die Bühne bearbeitet von Claudia Bauer und Ensemble. Schauspielhaus Leipzig, Große Bühne.
Regie: Claudia Bauer, Bühne: Andreas Auerbach, Kostüme: Vanessa Rust, Musik: Laura Lee, Christin Nichols, Paul Pötsch, Live-Kamera: Kai Schadeberg, Video: Robert Gotthardt, Dramaturgie: Matthias Döpke, Licht: Veit-Rüdiger Griess. – Besetzung: Julia Preuß als Margarita, Thomas Braungardt als Meister, Julius Forster als Besdomny / Jeschua, Wenzel Banneyer als Pilatus / Bossoi, Tilo Krügel als Berlioz / Kaiphas / Lichodejew / Bengalski / Sokow, Dirk Lange als Woland / Strawinski / Afranius, Sonja Isemer als Korowjew, Roman Kanonik als Behemoth, Laura Lee als Gella, Paul Pötsch als Azazello, Live-Musik Paul Pötsch, Laura Lee
Premiere 07.03.2020; besuchte Vorstellung 26.05.2023; veröffentlicht 28.05.2023
Weitere Termine: So, 04.06. 19:30 — 21:45, So, 18.06. 19:30 — 21:45, Sa, 08.07. 19:30 — 21:45
Credits
Text: Moritz Jähnig, freier Theaterkritiker und Herausgeber, Leipzig
Fotos: © Rolf Arnold
Szenenbilder