Fraglos hinzu gewonnen
„Ein Liebestraum“. Dreiteiliger Ballettabend mit Choreografien von Mario Schröder und Silvana Schröder an der Oper Leipzig
Der Ballettabend „Ein Liebestraum“ wurde am Premierenabend an der Leipziger Oper mit viel Applaus bedacht. Viele tänzerischen Bilder der drei Choreographien von Mario und Silvana Schröder bleiben in angenehmer Erinnerung. Sie verhandeln im Kleinen jene großen Lebensfragen, auf die im Tanz wie in keinem anderen Medium Antworten möglich sind.
von Moritz Jähnig
Es ist nicht das erste Mal, dass die Geschwister Schröder zusammen arbeitet. Sie tun es für diesen „Liebestraum“ jeder für sich eigenständig. Es wird nicht gemeinsam choreographier. Umso deutlicher sieht man: Silvana Schröder und Mario Schröder schreiben – individuell unterscheidbar – mit nahezu derselben Handschrift. Das einende liegt vordergründig im Ziel. Sie wollen „dem Leipziger“ Wagner zum Jubiläum eine achtungsvolle Referenz zu erweisen. Einig sind die beiden sich auch darin, von der Liebe erzählen zu wollen und was dieses größte aller menschlichen Gefühle mit uns anzufangen die Macht hat.
Als Musik dafür ausgewählt wurden eingangs Richard Wagners berühmte „Wesendonck-Lieder“ – der reine Minnegesang eines Ergebenen an seine Geliebte. Dann folgen Gustav Mahlers ewig sehnsuchtsvoll schwärmenden „Lieder eines fahrenden Gesellen“. Abschließend erklingen gespielt vom Gewandhausorchester die großen Melodien aus der Oper „Tristan und Isolde“, Vorspiel und Liebestod in Orchesterfassung. Letztere betten ein selten schönes, musikalischen Juwel aus den 90ger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein: „Corrente II für Orchester“ von Magnus Lindberg. Diese Corrente ist das vielleicht beste Tanzmusikstück in dieses Schröder-Bukett. Und um es an dieser Stelle gleich vorweg zu nehmen: Musikalisch wurde am Premierenabend vom Gewandhausorchester unter der Stabführung von Ulf Schirmer sehr fein die Balance zwischen diesen vielen unterschiedlichen Klangwelten austariert. Schirmer erspürte die sinnlichen Farben in den vielfach interpretierten Partituren und ließ sie erstrahlen. Wenn man formulieren sollte, was dasjenige sei, das man nach diesem nächtlichen Liebestraum am Morgen nach dem Erwachen noch erinnert, dann sind es nicht die teilweise schwierigen menschlichen Konstellationen, die der Tanz ins Bewusstsein rückte, sondern die gefasste Sinnlichkeit in der orchestralen Auslegung der Musik.
Die Solisten bewegten sich mit in der Szene. Sängerdarstellerisch bergen solche Lösungen m.E. immer ein hohes Wagnis, welches hier ist fraglos gelungen ist. Kathrin Göring bleibt bei den Wesendonck-Lieder bewusst verhalten, agiert nur sparsam. Die absolut pathosferne und scheinbar aus dem Stegreif kommende Interpretation der Mahler-Lieber durch den Bariton Jonathan Michie beeindruckten mich.
Unter den fünf Choreografien ragt die zu Lindbergs „Corrente“ heraus. Diese starke Wirkung dankt sie auch mit der dramaturgisch geschickten Platzierung als Mittelstück in Richard Wagners Tristan-Isolde-Melodik. Mario Schröder hat an dieser Stelle viele kleine, variantenreiche Dramolette geschaffen, die in einem wahren optischen staccato allgemein bekannte Beziehungssituationen aufscheinen lassen. Den Tänzerinnen und Tänzern boten die Szenen vielfache Gelegenheit solistisch hervorzutreten. In der Aufgeregtheit des Premierenabends blieb die Gruppe stellenweise die zu erwartenden Synchronizität schuldig.
In den Liedern eines fahrenden Gesellen wird die Mühe des Lebens durch sportive Bewegungselemente angedeutet. Wieder ist die Lichtregie von Michael Röger hauptsächliches Gestaltungselement.
Vorstellungstermine: www.oper-leipzig.de
Premiere 12.04.2013