Wenn in Annaberg 125 Jahre Theater gefeiert werden, dann darf dieses auch mal königlich daherkommen. In diesem Fall nicht mit einem solchen Verdi, sondern mit Flotows Melodienfülle rund um „Martha“. Aktueller als mit diesem Blick zum englischen Königshaus kann man momentan nicht sein. Das Publikum freut es, wie das bestens besuchte Haus an einem sonnigen Sonntagnachmittag zeigte und dies beim zeitgleichen Spiel der zweiten Identitätsgröße der Region: Erzgebirge Aue.
Von Frieder Krause
So war ein intensives Spiel um Langeweile, falsch verstandene Arbeitsaufgaben, Werben und Feilschen, den Wert eines Ringes und natürlich um Liebe zu verfolgen. Die seit 1994 an den verschiedensten Opernhäusern wirkende Jasmin Solfaghari bringt genügend Erfahrung mit, um diese Mischung szenisch zu erhellen. Dabei bleibt sie, ein paar Hinweise auf Heutiges und angestrebte soziale Gerechtigkeit eingestreut, weitgehend am Werk von Flotow und seinem Librettisten Wilhelm Friedrich.
Dennoch macht sie es sich und dem Betrachter phasenweise am 1. und 2. Akt durch zuviel Aktionismus schwer. Dabei erweist sich die das Bühnenbild prägende große Treppe als hinderlich, dieses Spiel zu entfalten. Gerade in der Marktszene weiß der mit Extrachor und Mitgliedern der Chorvereinigung Coruso verstärkte Chor des Wintersteintheaters gar nicht, wohin mit allen Ideen. So wird manches an Text und Klangschönheit verschluckt. Schade, denn Ausstatterin Kristina Böcher hat durchaus mit ihrer Vielfalt an Details und den farbenfrohen Kostümen zum Gelingen der Aufführung beigetragen.
Das alles ändert sich im 3. Akt. Mehr innere Ruhe, dramaturgische Sicherheit bei Solfaghari sowie die stimmungsvolle Waldlichtung ermöglichen ein sängerisches Feuerwerk, zu dem der Chor (Einstudierung: Uwe Hanke) viel beiträgt. Und erst recht das Solistenquintett, das zudem spielerisch die Facetten von Komik und Dramatik beherrscht. Madelaine Vogt (Lady Harriet), Anna Bineta Diouf (Nancy), Frank Unger (Lionel), László Varga (Plumkett) und Jason-Nandor Tomory (Lord Tristan) waren die am Schluß zu Recht gefeierten Interpreten. Genanntes Feuerwerk begann mit Vargas Lobpreisung des Porterbieres, dem tenoralen Schmelz Ungers bei „Ach so fromm“, Vogts höhensicheren „Den Teuren zu versöhnen“ und natürlich beim Aufklingen der „Letzten Rose“ durch die Liebenden. Ein wahres Kabinettstück gelang mit dem Duett „Ja was nun, was nun tun?“ (Diouf/Varga). Leider war das Jagdlied Nancys szenisch gestrichen.
Für das Annaberger Haus wird es durch den Wechsel Frank Ungers nach Freiberg schwer werden, einen Tenor mit dessen Strahlkraft zu engagieren.
Die Rückkehr auf den Richmond’schen Markt gelang im 4. Akt ebenfalls besser. Hier konnte Tomory seinem Tristan noch einmal Zucker geben. Er bleibt – bei fünf kein Wunder – ohne Weib. Dafür wartete ein königliches Hündchen auf ihn, ein netter Gag der Regie.
Die Erzgebirgische Philharmonie Aue unter GMD Naoshi Takahashi entfaltete jederzeit den Esprit der unvergänglichen Klangwelt Flotows.
ANNOTATION
„Martha“. Romantisch-komische Oper in vier Akten von Wilhelm Friedrich, Musik von Friedrich von Flotow. Es spielt die Erzgebirgische Philharmonie Aue, Musikalische Leitung – GMD Naoshi Takahashi; Inszenierung – Jasmin Solfaghari; Ausstattung – Kristina Böcher; Chöre – Uwe Hanke; Dramaturgie – Annelen Hasselwander; Lady Harriet Durham,
Ehrenfräulein der Königin – Madelaine Vogt; Nancy, ihre Vertraute – Anna Bineta Diouf; Lord Tristan Mickleford, ihr Vettter – Jason-Nandor Tomory; Lyonel – Frank Unger; Plumkett, ein reicher Pächter – László Varga; Ein Richter zu Richmond – Leander de Marel / Manuel Klein; Chor, Extrachor Mitglieder der Freien Chorvereinigung Coruso e.V.
Vor den Annaberger Theaterferien, die der Vorbereitung auf die Greifensteinfestspiele dienen, wird „Martha“ noch einmal am 13.05.2018, 19:00 Uhr gespielt. Weitere Termine ab September.
Foto: © Christian Dageförde/BUR-Werbung