Win – win – win oder Künstler erobern Industriebrachen.
Unfertiges, Improvisiertes übt seit jeher eine ungeheure Anziehungskraft auf Kreative aller Art aus. Und das besonders an Orten, die noch Geschichte atmen, wo man die (industrielle) Vergangenheit spürt. Wo man meint, der Geist der ehemaligen Arbeiter spukt noch durch die Hallen.
Genau diese Mischung aus Unperfektem und künstlerischer Freiheit ist es, die jährlich mehr als 100 Künstler nach Westsachsen zieht. Die Macher der ibug (Industriebrachenumgestaltung) schaffen es dabei immer wieder, interessante Objekte zu entdecken, diese (halbwegs) urbar zu machen und den Kreativen während der einen Arbeitswoche helfend zur Seite zu stehen.
Von vielen wird dieses Format als ungeheuer inspirierend empfunden; man nennt es gern auch ‚Ferienlager für Künstler‘. Natürlich spielt auch die Historie des jeweiligen Ortes eine Rolle, beeinflusst die Umgebung die Kunstwerkerschaffer ganz unmittelbar.
Zu sehen sind überwiegend zeichnerische Arbeiten wie Graffiti oder Wandbilder. Bewundern kann man die vor Ort entstanden Arbeiten an zwei Wochenende Ende August/Anfang September. Das Ziel 2019 wird das ehemalige Reichsbahnausbesserungswerk in Reichenbach/Vogtland sein.
Webseite: http://ibug-art.de/
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt eine Künstlergruppe aus den Niederlanden um Willem Besselink und Pim Palsgraaf (IPIHAN – #if paradise is half as nice). Sie drehen das Ganze nur um, suchen das Gebäude (in Leipzig und Umgebung) selbst, entrümpeln selbst und recherchieren selbst. Wobei sie dafür seit einiger Zeit sogar einen eigenen Historiker mit ins Boot geholt haben. Aber auch sie lassen sich vom Ort für ihre Kunstwerke inspirieren, nehmen aber (ausschließlich) die Materialien, die sie vorfinden und anschließend neu zusammensetzen.
Nach einem Monat Arbeit präsentieren sie ihre Arbeiten dann im Rahmen der Tage der Industriekultur in Leipzig. Im letzten Jahr lag das Ziel mit dem ehemaligen Konsum-Kaufhaus im thüringischen Altenburg. Und mit diesem Objekt hatten sie voll ins Schwarze getroffen. Sie wurden förmlich überrannt von ehemaligen Mitarbeitern, Kunstinteressenten oder Anwohnern. Alle wollten sehen, was aus dem großen Areal inzwischen geworden war und staunten nicht schlecht über selbst-malende Pinsel oder gepresste Altpapierhaufen in der ehemaligen Fleischerei.
Vielleicht war dies ja die Initialzündung für diesen (fast) vergessenen Ort?
Webseite: https://www.ipihan.com/
Credits
Foto (oben): © ibug/Luise Blumenstengel
Foto (unten): © IPIHAN
Nachdruck: auch auszugsweise nur mit Genehmigung und Quellenangabe © moritzpress/Christine Scheel
veröffentlicht: am 21.2.2019