Gelungenes Geraer Wagnis.
Angesichts der relativ dünnen Personaldecke im Chor und bei den Musiktheatersolisten sowie der finanziellen Mittel war es durchaus ein Wagnis, Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ in der Originalversion auf den Spielplan von Theater und Philharmonie Thüringen zu setzen. Umso überraschender ist das künstlerische Ergebnis.
Von Frieder Krause
Schostakowitsch und sein Librettist Arkadi Preis spüren in ihrer Oper der Erzählung von Nikolai Leskow nach. Diese spiegelt einen verhängnisvollen Lauf von Macht, Ausbrechen und Begehren wider. Regisseur Kay Kuntze und sein kongenialer Bühnen- und Kostümbildner Duncan Hayler nutzen für ihre Wiedergabe vielfältig Assoziationen, dabei effektiv die technischen Möglichkeiten der Bühne auslotend. Dies schafft ausdrucksstarke wie beklemmende Bilder, ermöglicht unerwartete Weiten und vermeidet das Streben nach allzuviel Opulenz. Dies trifft auch auf die Kostüme zu, die dennoch russische Folklore nicht leugnen.
Kuntze läßt das dreistündige Werk in einer Art Wartehalle beginnen, in der eine überdimensionale Uhr ohne Zeiger Katarinas Langeweile symbolisiert, nach dem Giftmord an Boris senken sich Ratten aus dem Schnürboden über das Geschehen. Im Schlussbild stellt er erst mitten im Publikum, dann unter den Zwangsarbeitern auf der Bühne den Komponisten selbst in den Mittelpunkt, gibt so der Tragik etwas an Hoffnung. Diese Erhöhung des alten Zwangsarbeiters ist ein genialer Einfall der Regie. Stärker herausgearbeitet hätte das Streben der Knechte im Kaufmannshaus nach Ausbruch aus ihrer Lage und eine Warnung für Katarina vor dem Verführer Sergej sein können.
Trotz der bereits angesprochenen Personaldecke ist man in der Lage, die Hauptrollen hausintern und rollengerecht zu besetzen. Dies sollte ursprünglich auch auf die Titelpartie zutreffen, doch Krankheit verhinderte dies. Valéry Suty hat nun die Mammutpartie der Katarina übernommen und formt sie nuanciert in Gesang und Darstellung zu einem nachhaltigen Erlebnis. Kuntze gibt ihr keine Möglichkeit, die Bühne zu verlassen. So formt sie während der Zwischenmusiken mimisch ihr Handeln. Beklemmend, wie sie sich per Handbewegung von ihren Mordtaten reinwaschen will.
Der unter Leitung von Ueli Häsler stehende Chor überrascht mit einem Mehr an Klang als von rund zwanzig Sängern und Sängerinnen zur erwarten ist. Aus dem Vollen kann dafür das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera unter der Leitung von Peter Aderhold schöpfen und gibt Schostakowitschs musikalische Farben voller Empfinden und präzise wieder.
Ungeteilter Jubel am Schluss für dasselbige, den Chor, Suty, Bernado Kim als Sergej, Kuntze und Hayler sowie für alle Beteiligten. Ohne Zweifel ein bedeutendes Theaterereignis in Mitteldeutschland. Unverständlich, dass zur Premiere keine Vertreter der Kommunalpolitik erschienen waren.
08.02.2013