„Jesus Christ Superstar“ in der Nikolaikirche der Berg- und Silberstadt aufgeführt
Erfolgreiche Suche nach der Wahrheit – eine solche ist derzeit in der Nikolaikirche Freiberg erlebbar. In einer Inszenierung des Mittelsächsischen Theaters wird dort mit Andrew Lloyd Webbers Rockoper „Jesus Christ Superstar“ den letzten Tagen des Gottessohnes mit all ihren Fragen um Verrat, Leugnung, Macht, Manipulation der Massen nachgespürt und dem Betrachter die Geißelung wie Kreuzigung des Helden nicht erspart. Dies geschieht in einer mittels Bibelpassagen aus dem Johannesevangelium konzeptionell klug umgesetzten Fassung. Und das ohne billige Effekthascherei passend in einem kirchlichen Raum und zur Osterzeit. Premiere war am Ostermontag.
von Frieder Krause
Dies alles geschieht dank eines sehr engagierten Ensembles. Oft sieht man nur auf den künstlerischen Bereich samt Regie und Dramaturgie. Hier sollten aber zuerst alle technischen Bereiche Ton, Lichtdesign, Videoeinspielung, Bühneneinrichtung und Kostümabteilung genannt sein. Sie alle unterstützen die Ideen des Regisseurs Alexander Donesch mit allen Möglichkeiten zur Ausnutzung des Altarraumes als Projektionsfläche für Bibelzitate oder Liveaufnahmen und Spielfläche, die auch den Mittelgang des Kirchensaales effektiv nutzt. An beiden Seiten platziert das Philharmonische Orchester und die Band.
So werden die zwei Stunden zu einem intensiven, bewegenden Erlebnis für Aug und Ohr; spürbar im tosenden Schlussapplaus. Erwähnt seien auch der engagierte Extrachor von jungen! Leuten und die Komparserie.
Eine außergewöhnliche Leistung vollbringt weiter Jose Luis Gutierrez. Mit vollem Körpereinsatz bringt er die Klangwelten der Webberschen Musik zwischen philharmonischen und Bandklängen bestens zur Geltung. Ersteres speziell beim instrumentalen Finale, beim Titelsong. Die Band ließ Erstklassiges bei den Gitarren und per Schlagzeug erklingen. Bravo!
Dem künstlerischen Ensemble fordert Alexander Donesch, beim Freiberger Publikum verehrt als Graf von Monte Christo, gleich seiner eigenen darstellerischen Fähigkeiten alle Beweglichkeit ab. Doch Solisten und Chor (Einstudierung Maro Rica) meistern dies!
Mit Yasmik Graf (Jesus) und Marco Toth (Judas) sind zwei Musicaldarsteller gefunden worden, die mit großer Intensität ihre Gemeinsamkeiten und Konflikte ausformen. So z. B. Jesus mit seinem Zweifeln an Gott oder Judas mit seinem Blicken auf die Welt. Dies iin gutem Musicalsound, wobei Graf textverständlicher ist.
Den Part der Liebenden wie Tröstenden formt stimmlich und gefühlsintensiv Susanne Engelhardt als Maria vom eigenen Ensemble erwartungsgemäß (besonders in ihren Solis) stark. Alternierend wird Maria Joachimstaler zu erleben sein. Frank Unger als Petrus bringt dessen Zweifeln an der Zuwendung von Jesus zu Maria, sein Leugnen und Verzweifeln daran bewegend, auch unter Nutzung der Opernstimme, zur Geltung. Letzteres tut auch Frank Blees als Kaiphas mit seinem profunden Bass.
Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, alle Partien, wenn auch rollengerecht gestaltet, zu würdigen. Genannt aber seien unbedingt Holger Thews als Pontius Pilatus in seiner Härte wie Unentschlossenheit. Ebenso Tim Gernitz mit seiner Parodie auf König Herodes, Angus Simmons als Simon mit seinem Kampfaufwiegeln gegen die Römer sowie Romeo Y. Salazar als Annas und Lukas Reinsch in der Partie des Johannes.
Für das seitlich platzierte Publikum war leider die Kreuzigungsszene schwer einsehbar. Vielleicht wäre der Karfreitag als Premierentag authentischer gewesen. Dies aber die einzigen kritischen Einwände.
Annotation
„JESUS CHRIST SUPERSTAR“. Musical von Andrew Lloyd Webber. Gesangstexte: Tim Rice, Deutsch von Anja Hauptmann. Mittelsächsisches Theater Freiberg/Döbeln
Regie/Choreographie: Alexander Donesch, Musikalische Leitung: Jose Luis Gutierrez, Bühne/Kostüme: Nina Reichmann, Lichtdesign: Anja Sekulic/John Gilmore, Ton:Thomas Fiedler/Ahmad Shalaby, Video: Stephan Börner, Choreinstudierung: Maro Rica, Dramaturgie: Dr. Christoph Nieder
Jesus: Yannik Graf, Judas: Marco Toth, Maria: Susanne Engelhardt/Maria Joachimstaler, Pontius Pilatus: Holger Thews, Herodes: Tim Gernitz, Annas: Romeo Y. Salazar, Simon: Angus Simmons, Petrus: Frank Unger, Kaiphas: Frank Blees, Johannes: Lukas Reinsch
Mittelsächsische Philharmonie, Chor, Extrachor, Komparserie des Mittelsächsischen Theaters
Besuchte Vorstellung: Premiere 10.04.2023; weitere Vorstellungen: 18.04., 15.00 Uhr, 20.04., 21.04., 22.04.,19.30 Uhr, 23.04., 17.00 Uhr
Credits
Text: Frieder Krause, freier Theaterkritiker, Altenburg/Gera
Foto (2): © Detlev Müller