Als solche entpuppt sich ein Projekt des Mittelsächsischen Theaters in Freiberg: Erlebt man zuerst im Theatersaal Francis Poulencs Musiktragödie „Die menschliche Stimme“, erklingt nach der Pause in der direkt gegenüber gelegenen Nikolaikirche, also im sakralen Raum, Arvo Parts „Te Deum“ für drei Chöre und Streichorchester. Dies dürfte höchsten Seltenheitswert haben und kommt als ein Abenteuer daher, das bestens gelungen ist.
von Frieder Krause
Unter dem scheidenden Intendanten Ralf-Peter Schulze und seinem Team mit dem Dramaturgen Dr. Christoph Nieder hat es öfters spannende Projekte gegeben. Für das jetzige holten sie zwei sehr erfahrere Theaterkönner aus dem Wirkungskreis der Legende Ruth Berghaus ins Boot: Regisseurin und Choreografin Arila Siegert sowie Kostümbildneri Marie-Luise Strandt. Siegert würzt ihre Inszenierung, die man duchaus als eine Erstaufführug bewerten sollte, mit zwei Tänzern, die das Seelenleben der Sängerin spiegeln. Als „Die Seele“ und „Der Tod“ reflektieren Aya Sone und Lorenzo Malisan nie vordergründig, jedoch die Sängerin in ihre verschiedenen Tanzspiele einbeziehend.
Das kann nur gelingen, wenn man eine Sopranistin im Format von Leonora Weiß-del Rio hat. Berührend gestaltet sie mit ihrem wunderbar wandelbaren und kräftigen Sopran die Geschichte einer Frau, die im Gestrüpp nicht intakter Telefonleitungen Kontakt zu ihrem einstigen Geliebten sucht, sich in Lügen und Suizidgedanken flüchtet und ihn natürlich noch immer liebt. Frau Weiß-del Rio hat dazu noch die Fähigkeit, zur dritten Tanzfigur zu werden. Dies würdigten die vielen Bravis und Jubeläußerungen für ihre Leistung. Marie-Luise Strandt trägt mit einem Bühnenbild und Kostümen ohne „Schnickschnack“ zum Erfolg der Aufführung bei. So mit dem Wirrwarr der Leitungen, den Nummerntasten und den Farbvarianten der Beleuchtng. Kostümmäßig ist Rot freilich die Liebe!
Die Musik des 1959 uraufgeführten Werkes ist bei der Mittelsächsischen Philharmonie unter der der Leitung von Jose Luis Gutierrez in guten Händen, eine minimale Drosselung der Klangfülle wäre zu empfehlen.
Arvo Parts Frühwerk „Te Deum“ kommt im Stile der Neoklassik minimalistisch daher, erzielt jedoch ein harmonisches System mit einem schönen Dreiklang. Dem wurden der Opernchor des Mittelsächsischen Theaters, der Max-Klinger-Kammerchor Leipzig, der A-capella-Kammerchor Freiberg sowie die Mitglieder des Jugendchores „Voice Dance“ unter der Leitung von Chordirektor Peter Kubisch voll gerecht. Besonders ausgewogen die dunklen Männerstimmen, angenehm klingend die hohen Soprane. Diesem Wohlklang schlossen sich die Streicher der Mittelsächsischen Philharmonie an. So mancher im Publikum hätte gerne noch länger zugehört. . .
ANNOTATION
Francis Poulenc DIE MENSCHLICHE STIMME, Musiktragödie in einem Akt. Text von Jean Cocteau/Deutsche Fassung Wolfgang Binal. Mittelsächsisches Theater und Philharmonie. Musikalische Leitung: Jose Luis Gutierrez, Inszenierung und Choreografie: Arila Siegert, Ausstattung: Marie-Luise Strandt, Dramaturgie: Dr. Christoph Nieder
Besetzung: Die Frau: Leonora Weiß-del Rio, Die Seele: Aya Sone, Der Tod: Lorenzo Malisan
Arvo Part TE DEUM für drei Chöre, Klavier, Streichorchester und Tonband .Mit dem Opernchor des Mittelsächsischen Theaters, Max-Klinger-Kammerchor Leipzig, A-cappella-Kammerchor Freiberg sowie Mitglieder des Jugendchores „Voice Dance“. Mittelsächsische Philharmonie, Musikalische Leitung: Peter Kubisch
WAS NOCH?
Premier am Theater und der Nikolaikirche Freiberg und besuchte Vorstellung am 15.04.2022; Premiere im Theater Döbeln 01.05.2022. In der Döbelner Premiere kommt die Fassung „Das Telefon“ von Menotti und „Die menschliche Stimme“ von Poulenc zur Aufführung.
weitere Vorstellungen laut aktuellem Spielplan des Mittelsächsischen Theaters
veröffentlicht 19.04.2022 ; aktuelisiert 23.4.2022
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CREDITS
Foto (2): © HL Böhme
Text: Frieder Krause, freier Theaterkritiker Altenburg/Gera