Wenn Edmond auf Monte Christo den Schatz hebt und somit in ein neues Leben startet, dann hat solches das Ensemble des Freiberger Theaters mit der Musicalpremiere des „Grafen von Monte Christo“ getan. Der Ausfall von drei Darstellern und zu guter Letzt der Hauptdarstellerin am Tag davor lösten logischerweise im KBB, beim Regisseur und allen Beteiligten die Alarmstufe Rot aus. Doch wieder einmal erwachte das Theaterblut mit Liebe und Kampf für die Sache. Wer lässt schon eine im Vorfeld ausverkaufte Premiere platzen? Sei es wie es sei, die Freiberger haben Außergewöhnliches geleistet. Und sich selber mit einer perfekten Aufführung belohnt, die zu Recht Standing Ovations erhielt.
von Frieder Krause
Ja, eigentlich hätte sich Intendant Ralf-Peter Schulze seine launigen, Mut machenden Begrüßungsworte, ersparen können. Denn man merkte wirklich nichts von den Improvisationen mit den „eingeflogenen Gästen“ oder der Variante Regisseur spielt selbst, Sänger wirkt im Off. usw. Lassen wir dies nun alles erfreut beiseite.
Ausstatter Tilo Staudte trägt wesentlich für das Gelingen der Aufführung bei. Sein einfaches, praktikables Bühnenbild im Baukastensystem mit seinem drehbaren (selbst ist der Mann) Gittern und Treppen in den jeweiligen Lichtstimmungen ermöglicht den Zugang zu allen Handlungsorten wie dem Hafen, dem Kerker samt Fluchttunnel, der Insel, dem römischen Karneval und schließlich des Lebens in der vornehmen Pariser Welt. Symbolisch wird das goldene Riesentuch als Schatz zum Schutzmantel für Edmonds neues Leben. Stilgenau auch die von Staudte geschaffenen Kostüme.
Auch Regisseur Stefan Haufe hat wieder einmal gezaubert. Bei ihm gibt es nicht eine Sekunde Stillstand. Dabei kann er voll auf den Chor des Freiberger Theaters (Leitung Peter Kubisch) mit seinen wandelbaren, charismatischen Sängerpersönlichkeiten setzen, die per se alle in der Lage sind, solistische (auch größere!) Aufgaben zu übernehmen.
Der Erfolg dieses Musicals basiert natürlich auf dem Buch und den Songtexten von Jack Murphy. Der große Romantext von Alexandre Dumas will ja erst einmal auf eine bestmög-lichst fokussierte Fassung für die Theaterbühne (nicht für einen Film) gebracht werden. Und dies ist bestens gelungen. Komponist Frank Wildhorn steuert gewaltige Chorszenen in mystischer und freudiger Stimmung sowie berührende Duette und Solis bei.
Diese Musik ist bei der Mittelsächsischen Philharmonie unter der Leitung von Jörg Pitschmann in den besten Händen, wird ihrem Drive gerecht. Im relativ kleinen Rund des historischen Theatersaales wäre ab und an eine „Klangdämpfung“ anzuraten.
Zur Premiere waren zwei großartige Musicaldarsteller als Mercédés und Edmond Dantés zu erleben. Dabei muss man zuerst den Hut vor Anna Preckeler ziehen. Auch wenn sie die Rolle am Stadttheater Bremerhaven singt, musste sie sich in kürzester Zeit in alle Abläufe dieser Inszenierung und in das Zusammenspiel mit dem Ensemble einfügen. Bravo! Sie war glaubwürdig die junge Liebende, die sich Sorgende und Wartende, sich dann in eine falsche Ehe Stürzende und schließlich zu ihrer Liebe Zurückfindende. Dazu ihre überzeugende Gesangsstimme, die jeder Gefühlslage entsprach und besonders in den Duetten mit Edmond berührte.
Alexander Donesch ist den Freibergern bereits aus „Jekyll und Hyde“ bekannt und erfüllte darstellerisch wie gesanglich alle in ihn gesetzten Erwartungen. Auch er reizte wie Preckeler alle Nuancen seiner Rolle aus, vom frohen Bräutigam ausgehend zum Eingekerkerten, zum Lernenden, Flüchtenden, Findenden, im neuen Leben zweifelnd Gerechtigkeit Suchenden.
Die Leistungen beider gingen unter die Haut.
Elias Han ist im Freiberger Ensemble eine feste Stütze, dem wurde er auch diesmal voll gerecht und ergänzte so die Wirkungskraft der Hauptdarsteller. Sein kraftvoller Bariton überzeugte als Edmonds Mitgefangener Abbé Faria sowie als Montego-Double. Intensiv gestaltete er seine Bemühungen, den jungen Edmond auf das Leben nach der Flucht vorzubereiten, bewegend sein Tod nach dem Tunneleinsturz.
Weitere schöne Leistungen außer diesem Trio begeisterten. Peter Fabig und Hinrich Horn, die weiteren Gäste der Premiere, waren als Widersacher Edmonds spiel- und stimmintensiv zu erleben. Eine temperamentvolle, ihre Reize nutzende, Luisa Vampa gestaltete Dimitra Kalaitzi-Tilikidou. Gestalterische Vielfalt brachte Christian Härtig als Jacopo, Kommissar und Erzähler ins Spielgeschehen ein. Liebenswert und stimmlich berührend agierte Christin Rettig als Valentine. Frieder Post verlieh dem um seine Familienehre Bemühten Albert eine glaubhafte Studie, auch in der Fechtszene.
Der Rezensent ist sich sicher, dass in Freiberg wie Döbeln die Kassen für dieses Theatererlebnis „klingeln“ werden. Da wird es auch manches 2. Mal geben. Bei den Premierengästen auch unter dem Aspekt ihre Publikumslieblinge Frank Unger und Sergio Raonic Lukovic und erst recht Susanne Engelhardt als Mercédés zu erleben.
Annotation
„Der Graf von Monte Christo“, Musical von Frank Wildhorn, Buch und Songtexte von Jack Murphy am Mittelsächsischen Theater Freiberg
Musikalische Leitung Jörg Pitschmann
Inszenierung und Choreografie Stefan Haufe
Ausstattung Tilo Staudte
Chorleitung Peter Kubisch
Dramaturgie Christoph Nieder
Edmond Dantés – Graf von Monte Christo Alexander Donesch
Mercédés Anna Preckeler
Fernand Mondego Stefan Haufe/Elias Han
Gérard von Villefort Peter Fabig
Danglars Hinrich Horn
Abbé Faria Elias Han
Jacopo, Kommissar, Erzähler Christian Härtig
Albert Frieder Post
Valentine Christin Rettig
Luisa Vampa Dimitra Kalaitzi-Tilikidou
Morrel Ulrich Sattler
Gabriella Kathrin Moschke
Opernchor des Mittelsächsischen Theaters
Extraballett, Komparserie
Mittelsächsische Philharmonie
Noch was?
Hier die Besetzung der besuchten Premiere/Vorstellung am 15.02.2020:
Mondego spielend Regisseur Stefan Haufe/singend Elias Han
veröffentlicht 14.4.2020
Foto: © Jörg Metzner