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Corinna Klußmann entdeckt “The Meaning of Life”

Corinna Klußmann entdeckt “The Meaning of Life”

Zum ersten Mal in der Alten Handelsschule Leipzig.

Ich bin das erste Mal in der Alten Handelsschule und in dieser Nachbarschaft unterwegs. Ich interessiere mich für Architektur und Geschichte, finde alte Gebäude toll und bin so schon von außen begeistert: Ein großes Gebäude, erbaut 1894-95, erweitert 1911, nicht auf Hochglanz saniert.

Wunderschön auch die Turnhalle im Hof mit ihren großen Rundbogenfenstern. Im Inneren lange Flure, die ich mir als Schulflure eher trostlos vorstelle, die heute aber mit allerlei Objekten belebt werden. Hier ein alter Fensterrahmen, da ein Fahrrad. Die Holzstäbe der Treppe sind teils durch gespannte orangefarbene Kordeln ersetzt. Ein erster Hinweis auf Kunst?

Zwei Etagen weiter oben erreiche ich die Aula, die heute als Ausstellungsraum dient. Barbara Röhner kuratiert hier für den Kunstförderverein ars*avanti regelmäßig Ausstellungen. Ich bin pünktlich, also für Leipziger Maßstäbe scheinbar zu früh. So habe ich Zeit, die Werke in aller Ruhe zu betrachten und kann beobachten, wie der Sonnenuntergang die großen Fenster in orange-rosa zum Leuchten bringt und den Raum in eine ganz besondere Lichtstimmung hüllt.

Im Raum befinden sich Werke von Kay Brudy und Carsten Busse, die je zwei diagonal gegenüberliegende Wandflächen füllen. Die Werke der beiden Künstler sind auf den ersten Blick voneinander zu unterscheiden. Kay Brudys Werke sind von eher zurückhaltender Farbigkeit, während Carsten Busses Werke in Schwarz-Weiß kontrastieren. Die Arbeiten von Kay Brudy gehören zu den Werkgruppen ‚Reflexionen über Schulblätter‘ sowie ‚Tafeln‘ und wirken collagenartig. Zu sehen sind Röntgenaufnahmen, Abbildungen von Tieren aus Biologiebüchern und Einblicke in damalige Schulthemen. Brudy verarbeitet hier Blätter aus seiner eigenen Schulzeit und kombiniert diese mit Bildern und Textfragmenten. Dabei überlagern sich die verschiedenen Schichten, werden teils schemenhaft und teils auch aus ihrem Kontext gezogen, da nicht mehr klar erkennbar ist, zu welcher Ebene welcher Text gehört. Man muss sich Zeit nehmen bei der Betrachtung, um die Details zu erkennen.

Die ausgestellten Werke von Carsten Busse wirken auf den ersten Blick wie schwarz-weiße Drucke. Bei näherer Betrachtung ist jedoch erkennbar, dass es sich um Papierschnitte handelt. Beeindruckend ist die Kleinteiligkeit der Werke. Auch die Themen sprechen mich sehr an. Auf der einen Seite hängt eine Serie mit dem Titel ‚Lokschuppen‘, die einen Lost Place, eine verlassene und zerfallene Industriearchitektur zeigt. Die Technik der Arbeiten passt dabei perfekt zum Motiv: zerbrechliche Schönheit und gleichzeitig das Gefühl von Stabilität und Beständigkeit. Neben einigen einzelnen Arbeiten findet sich auf der anderen Seite des Raumes eine weitere Serie von Carsten Busse. Diese trägt den Titel ‚NO JUSTICE, NO PEACE‘. Sie zeigt Szenen von Demonstrationen oder Protesten nach dem Tod von George Floyd in diesem Jahr. Wie dieses aktuelle Thema aus Schnappschüssen oder Pressephotos in die filigrane und zeitaufwendige Form des Papierschnitts überführt wird, ist großartig. Die Technik entschleunigt, sie nimmt die Schnelllebigkeit bzw. kurze Aufmerksamkeitsspanne der Nachrichten aus dem Dargestellten. Dies ermöglicht eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema, schafft aber auch ästhetische, beinahe ikonische Bilder.

Mein Fazit: Eine Ausstellung mit Werken, für die man sich Zeit nehmen sollte, in einem großartigen Kunstraum. Ich werde definitiv wieder kommen. Das nächste Mal aber vielleicht etwas weniger pünktlich.

Credits:

Unsere Autorin Corinna Klußmann ist Kunsthistorikern und lebt in Leipzig.

Die Ausstellung läuft bis 2.Oktober.

Galerie Alte Handelsschule | Gießerstraße 76|04229 Leipzig

Öffnungszeiten: Mo-Do.: 9-11:30, Fr.-So.: 11-18 Uhr u.n.V. unter info@arsavanti.de

Bitte achten Sie auf eine Mund-Nasen-Bedeckung und wahren den erforderlichen Abstand. Ausreichend Parkplätze befinden sich auf dem Hof der Alten Handelsschule.  Bitte benutzen Sie dort den Hintereingang.

Foto (3): © moritzpress

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