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…but these sunsets are better
"Keeping". Installation von Dani Minuskin Foto: (c) Autor

…but these sunsets are better

Femal artist group in der Alten Handelsschule Leipzig

Im Ausstellungssaal der Alten Handelsschule in Leipzig Kleinzschocher ist noch bis zum 8. Februar 2019 eine Gemeinschaftsausstellung unter dem Titel „…but these sunsets are better“ von vier Künstlerinnen aus Kanada, den USA und Spanien zu sehen.

Von Dr. Barbara Röhner

Alle vier Künstlerinnen kamen vor nicht allzu langer Zeit nach Leipzig, um hier zu arbeiten und zu leben. Die meisten von ihnen durch das Artist-in-Residenzprogramm der Pilotenküche. Die Entscheidung hier zu bleiben wurde durch die lebendige Kunstszene Leipzigs, persönliche Kontakte und Netzwerke bestärkt. Durch eine weltoffene Community haben sie zueinandergefunden und gemeinsam diese Ausstellung konzipiert.

Die Heimat hinter sich zu lassen, auch weitere Stationen des Lebens, um einen Neuanfang in einer fremden Stadt und einem fremden Land mit einer ziemlich komplizierten Sprache zu starten, ist auch mit Verlust von Liebgewonnenem verbunden.

Was dagegen helfen kann sind positive Erlebnisse, die geteilt werden können, oder einfach bezaubern. …but these sunsets are better basiert auf solchen Erlebnissen – der Schönheit und Vielschichtigkeit von Sonnenuntergängen, hier in Leipzig aus dem Atelierfenster oder im Leipziger Umland.

So überwältigend Sonnenuntergänge in der Natur sind, so gefährlich nah am Kitsch können Sonnenuntergänge jedoch in der Kunst sein.

Deshalb ist der Ausstellungstitel auch eher als Metapher zu verstehen als ein gemeinsames Sujet zur Darstellung. Das heißt aber nicht, dass Sonnenuntergänge per se kitschverdächtig sind, es kommt immer auf den Kontext an, inhaltlich wie formal.

Ganz offensichtlich sind hier nämlich auch Sonnenuntergänge zu sehen, wenn auch gänzlich verfremdet. Am Augenscheinlichsten noch in einer Malerei von Natalia Kalicki. Diese Künstlerin polnisch-kanadischer Herkunft lässt die Sonne als Metapher für ein Geschehen untergehen, welches in erster Linie eine glückliche Zusammenkunft erkennen lässt. Doch der Abschied kündigt sich schon in der Farbgebung des Bildes an, welche die Szenerie umhüllt. Auch leblose Körper erinnern an Vergänglichkeit, verweisen mitunter an längst verstorbene Weggefährten. So erscheinen auf ihrer großformatigen Arbeit unterschiedliche Lebensalter, Personen aus verschiedenen Zeiten und Kulturen.

Lebensalterdarstellungen sind seit der Renaissance Bestandteil der Malerei, vor allem verbunden mit dem Ausdruck des Memento mori – dem Gedenken des Todes, hier aber ins heute übertragen mit ganz persönlichen Erinnerungen behaftet, auf der Suche nach einem Stückchen Glück.

Die zweite große Annäherung an Sunsets ist die Wandmalerei der Spanierin Paula Fraile. Hier erstrecken sich die Andeutungen von Sonnenstrahlen und die darin eingeschlossene Landschaft in die Spannweite der Arme und Teleskopstangen der Farbrollen. Beobachtet man Fraile beim Farbauftrag, glaubt man ihr ohne Weiteres, dass sie sich vor allem in der Wandmalerei am freiesten fühlt. Große Wandmalereien im Außenbereich gehören demzufolge zu ihrem Kerngeschäft. Einzelne Farben und Formen entlehnt sie der Natur und komponiert sie dann zu einem großen Ganzen ohne jegliche Vorzeichnung oder Skizze. Ihr Können auf Leinwand zeigen hingegen drei kleinformatige Bilder, die einen surrealen Kosmos zwischen Leipzig und Madrid spannen.

Auf dem ersten Blick wenig von Sunsets bestimmt erscheinen hingegen Andrea Garcia Vasquez Objekte und Installationen. Die Künstlerin, welche aus den USA kommend nach einem Pilotenküchen-Programm gleich ein Studium an der HGB anschloss, hängt hier Stoffpflanzen von Metallgerüsten oder steckt sie in Gefäße ohne Boden.

Sie spürt mit ihren Installationen dem Verhältnis von Mensch und Natur nach. Menschen, die sich die Natur ins Haus holen, obwohl Häuser vor der Natur zu schützen haben. Nun sind Pflanzen wie die von Garcia Vasquez abgebildeten Monsteras nicht wirklich gefährlich, auch wenn der Name etwas anderes vermuten lässt. Vielmehr spenden sie Sauerstoff und können sogar Schadstoffe absorbieren.

Das Phänomen der Topfpflanzen begann mit der Pflanzenzucht, als Botaniker Pflanzen aus Übersee mitbrachten – als die ferne Welt im Kleinen.

Schaut man genauer auf die präsentierten Pflanzen, fallen vor allem Fäden auf, die die Künstlerin vom Nähen übrigließ. So wird nicht nur der Herstellungsprozess sichtbar. Wie Wurzeln in der Luft hängen die Fäden im Raum, Halt suchend in neuer Umgebung.

Offensichtlich durch Sunsets erotisch konnotiert erscheint Natalia Kalickis Bettinstallation mit einem aufgedruckten Chatverlauf. Über einen Monat hinweg schickte sie Nachrichten einem ihr unbekannten Mann. Als „Unfinished Business“ titulierte Installation lädt diese sowohl zum Probeliegen als auch zur Lektüre vergangener Kommunikation ein.

Bewahrung von Ereignissen spielgelt auch die Kunst der Kanadierin Dani Minuskin wider. Fundstücke bilden meist den Ausgangspunkt, um physische und psychologische Prozesse abzubilden. Dem Wort verpflichtet sind ihre in Stoff gestickten Notizen eines Tagebuches. Wie herausgetrennte Seiten verteilen sich diese über die Schreibecke hinaus in den Raum als Fetzen von Gedanken, die über den Augenblick hinaus übrig bleiben.

Vornehmlich auf bestimmte Orte verweisend verwendet die Künstlerin der Umwelt entnommene Materialien, wie die schwarzen Tropfen aus finnischer Asche. Diese kombiniert sie mit zerbrechlichen Materialien, wie auch ihr „Memorial to Essence that Devours Us“. Gips, Asche, Wachs und Honig tauchen immer wieder in ihren Arbeiten auf, um einerseits ausgewählte Materialien zu bewahren, andererseits aber auch ihre Vergänglichkeit herauszustellen. Antagonismen von Beständigkeit und Fragilität durchziehen ihr gesamtes Werk, gleicht dem Zwiespalt der Menschen auf der Suche nach Konstanten und dem Streben nach Veränderung.

So betrachtet erscheinen die Werke der Ausstellung „… but these Sunsets are better“ als Metapher des Ephemeren, der Vergänglichkeit und der sich fortwährend im Jetzt produzierenden Vergangenheit.

Nicht zuletzt erkannte schon vor rund 2500 Jahren der Vorsokratiker Heraklit von Ephesos: „Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.“

Ausstellungsinformationen:

Die Ausstellung ist von Montag bis Donnerstag zwischen 9:00 und 11:30 Uhr, am Samstag und Sonntag von 14:00 bis 16:00 Uhr und nach Vereinbarung unter info@arsavanti.de geöffnet.

Am Samstag den 2. Februar 2019 findet um 21 ein Konzert mit der Violonistin Izabella Kałduńska unter dem Titel „The New Solarism“ anlässlich der Kunstausstellung statt.

Die Künstlerin verbindet die klassische Violine mit Verstärker und Looptechniken. Dadurch ergeben sich experimentelle Klangmuster, welche zur entspannten Rezeption einladen. Kissen, Decken oder Matten können gern mitgebracht werden.

Die Ausstellung schließt am 8. 2. 2019 um 19 Uhr mit einer Finissage.

Weitere Informationen unter:

http://arsavanti.blogspot.com

https://www.instagram.com/arsavanti/

https://www.facebook.com/events/2053275118298530/

http://picdeer.com/but_these_sunsets_are_better

 

Kontakt:

Alte Handelsschule | Gießerstraße 75 | 04229 Leipzig | Fon: 0341 2123877

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