Über ein Frauenbild der Leipziger Malerin Doris Ziegler.
1975 hatte sie in einem fünfteiligen Werk bereits Frauen der Brigade „Rosa Luxemburg“ aus dem Leipziger Fahrzeuggetriebewerk „Juliot Curie“ porträtiert. Für ihr zweites Brigadebild suchte die Leipziger Malerin Doris Ziegler von sich aus Anregungen in einem der größten Textilbetriebe der DDR, dem VEB Buntgarnwerke Leipzig.
Von Dr. Dietulf Sander
Die 1949 in Weimar geborene, heutige Professorin für Malerei hatte von 1969 bis 1974 an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer studiert und gehört damit zu jener Generation von HGB-Absolventen, die Mitte der 1970er Jahre begannen, sich innerhalb der stilistisch bereits sehr differenzierten Leipziger Kunstszene ein eigenständiges künstlerisches Profil zu erarbeiten. Sie trat damals vor allem mit Porträts und genrehaften Darstellungen alltäglicher Lebenssituationen sowie mit Stadtlandschaften hervor. Anregungen fand sie in der Kunst der 1920/1930er Jahre, im Magischen Realismus eines Franz Radziwill oder in den surrealen Stadtszenerien Giorgio de Chiricos ebenso wie in den expressiv-realistischen Werken eines Hans Grundig oder Otto Nagel, in denen sich eindringlich die soziale Lebenssituation der Menschen widerspiegelte. Der Alltagsrealismus ihrer Figurenbilder und Stadtlandschaften offenbart damals wie heute den Widerspruch zwischen öffentlich proklamierter gesellschaftlicher und tatsächlich gelebter privater Lebenswirklichkeit.
Die Frauen aus der Spinnerei sind unbeschönigt, auf der Grundlage vieler Gespräche und Porträtstudien, jedoch eindringlich in ihrem individuellen Sein und in ihrem Geprägtsein durch schwere körperliche Arbeit charakterisiert. Der schwarze Flusslauf und die Gebäudekulisse, die denkmalgeschützte Industriearchitektur der Buntgarnwerke in der Nonnenstraße in Leipzig-Plagwitz, intensivieren die Bildaussage. Die gegenüber dem damals realen Zustand poetisierte Fabrikarchitektur verleiht dem Bild nicht nur einen kritischen Akzent, sondern ist vor allem auch ein gleichnishafte Aussage über menschliche Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit.