Home | Theater/Musik | Biel/Solothurn: Fragile Beziehung Mensch-Natur
Biel/Solothurn: Fragile Beziehung Mensch-Natur

Biel/Solothurn: Fragile Beziehung Mensch-Natur

Daniel Andres Oper «Derborence» nach dem gleichnamigen Roman von Charles Ferdinand Ramuz

Im «Theater-Orchester Biel Solothurn» TOBS fand kürzlich die Uraufführung der Oper «Derborence» statt. Das Libretto nach dem Roman des Schweizer Autors Charles Ferdinand  Ramuz und die Vertonung wurden vom Bieler Komponisten Daniel Andres geschaffen. Die Oper fokussiert auf die wichtigen Momente des Romans und unterlegt sie mit einer Tonsprache, die dem archaischen Charakter und der Emotionalität des Inhalts entsprechen.

Von André Mina

Szene aus «Derborence», hier mit Julia Deit-Ferrand und Katerina Hebelkova

Die Handlung der Oper, die einem Bergdorf und seiner alpinen Umgebung angesiedelt ist, schildert das Schicksal des Hirten Antoine, der mit anderen Hirten und dem erfahrenen Séraphin auf die Sommerweide Derborence geht. Séraphin ist der Bruder von Philomène, deren Tochter Antoine vor kurzem geheiratet hat. Philomène hatte sich dieser Heirat widersetzt, weil Antoine ein Waise ist, aber Séraphin gelang es ihr gut zuzureden. Die Hirten legen sich schlafen und während jener Nacht geht der Bergsturz nieder und begräbt sie unter Felsmassen. Im Dorf unten berichtet Justin vom Unglück, ein Hirte sei entkommen, starb aber bald. Über die andern weiss man nichts. Thérèse begreift, dass sie wohl ihren Mann verloren hat. Antoine jedoch hat überlebt. Er konnte sich mühevoll befreien.

Szene mit Samy Camps, Julia Deit-Ferrand und Chor

Als Thérèse den Schatten von Antoine sieht, glaubt sie, es sei sein untoter Geist. Die Dorfbewohner haben auch einen Fleck gesehen. Darum ist sie überzeugt, dass Antoine zurückgekehrt ist. Er realisiert erst jetzt, dass er sieben Wochen unter dem Geröll gefangen war. Er konnte sich von erreichbaren Vorräten ernähren und einsickerndes Gletscherwasser trinken. Alle denken, dass kein anderer Hirte zurückgekommen sei, Antoine jedoch sagt, er habe mit Séraphin noch nach dem Bergsturz gesprochen. Er will ihn unbedingt retten und steigt nach Derborence hoch um ihn zu suchen. Thérèse folgt ihm. Sie will ihm sagen, dass sie von ihm schwanger sei und das Kind ihn als Vater braucht.

Orchestral vielgliedrig differenziert

In der Partitur lösen sich Einzelauftritte, Paarszenen und Ensembles von Hirten und Dorfbewohnern ab. Die Mächte der Natur kommen orchestral differenziert zum musikalischen Ausdruck. Das junge Paar wird eindrücklich gesungen von Samy Camps und Julia Deit-Ferrand. Séraphin und Philomène werden von Mischa Schelomianski und Katerina Hebelkova verkörpert und ergänzen das Ensemble mit seiner insgesamt starken Bühnenpräsenz. Yannis Pouspourikas hat die musikalische Leitung inne und Dieter Kaegi verantwortet die adäquate Inszenierung, die in der Entstehungszeit des Romans, den 1930er Jahren, angesiedelt ist.

Derborence“. Uraufführung am Stadttheater Biel

Voll bedrohlicher Realität

Durch die jüngsten Bergrutsche in der Schweiz erhält die Aufführung der Oper eine erschreckende Aktualität. Das Werk erzählt von der zerstörerischen Macht der Natur und den existenziellen Herausforderungen, die sie für den Menschen mit sich bringt und zeigt eindringlich, wie Bergstürze nicht nur Landschaften, sondern auch menschlisches Leben und Gemeinschaften prägen.

Dieses Thema wird durch die aktuellen Ereignisse in Brienz noch greifbarer, wo Bewohner vor einem drohenden Felssturz evakuiert werden mussten. Andres‘ Komposition und Ramuz‘ Text und die Reflexion über die fragilen Beziehungen zwischen Mensch und Natur schaffen eine Verbindung zwischen der historischen Dimension solcher Naturkatastrophen und ihrer nach wie vor bedrohlichen Realität.

Annotation

„Derborence“. Musik und Libretto von Daniel Andres nach dem Roman von Charles Ferdinand Ramuz. Uraufführung am Theater-Orchester Biel Solothurn TOBS. Musikalische Leitung: Yannis Pouspourikas, Inszenierung: Dieter Kaegi, Bühnenbild und Kostüme: Francis O’Connor, Lichtgestaltung: Mario Bösemann, Chorleitung: Valentin Vassilev, Dramaturgie: Meike Lieser

Besetzung

Antoine: Samy Camps, Séraphin / Plan: Mischa Schelomianski, Thérèse: Julia Deit-Ferrand, Philomène: Katerina Hebelkova, Nendaz: Flurin Caduff, Justin: Fabian Meinen, Président / Cure: Konstantin Nazlamov, Chor TOBS!, Sinfonieorchester Biel Solothurn

Premiere 26.10.2024; besuchte Vorstellung 15.11.2024; veröffentlicht 23.11.2024

Credits

Text: André Mina

Foto: © Joël Schweizer

Scroll To Top