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LEIPZIG: Ausstiegsgeschichte mit „vermeertem“ Ende

LEIPZIG: Ausstiegsgeschichte mit „vermeertem“ Ende

Schauspiel Leipzig gibt Dorian Brunz‘ „beach house“ einen hörbar bunten Rahmen.

Ronny hat das große Los gezogen: Vier Wochen Urlaub im Beach Haus mit Blick auf den Golf von Mexiko! Da ist für ihn, die rheumakranke Mutti und Zwillingsschwester Taylor das bessere Leben förmlich zu greifen: Einmal in Florida wohnen wie Madonna, Matt Damon, Missy Elliott und Justin Timberlake! Bislang vegetieren die Drei im Prekariat und kommen nicht aus der Unterschicht raus: Diese erträumte Zukunft ist farbig und schön! Doch birgt der Hauptgewinn die Krux einer Eigenbeteiligung, und die muss erstmal erwirtschaftet werden. Also macht Taylor für Filmproduzent Fernando die Beine breit. Ronny lutscht Schwänze für Geld und lässt sich bis zur Bewusstlosigkeit würgen. Mutti phantasiert sich bewegungslos in die mexikanische Revolution. Ihr Fernando ist jedoch weiter nix als der ABBA-Song: „Can you hear the drums,, Fernando? There was something in the air that night, Fernando.“ Man ahnt das Ende der Nacht: So sehr sie auch schuften und träumen und sich erniedrigen lassen – kein Flugzeug wird mit der Bagage je in die Sonne abheben.

Das uraufgeführte Stück von Theatertalent Dorian Brunz bietet an Themen nicht wirklich was Neues, und man fragt sich ob der exotischen Schmetterlings-Namen, wo’s Ganze denn verortet sein soll. Auch werden die Konflikte coronabedingt meist erzählt und körperlicher Kontakt (fast) vermieden – abgesehen davon hat das alles Verve und unbestreitbar Potential.

Das Bühnenbild von Ramallah Albrecht stilisiert vier Räume deren Wandumrisse knallfarbig zum Leuchten gebracht werden können. Da stehen die Akteure dann drinnen und können zueinander nicht finden. Frau Schmetterling (Anna Keil) sitzt mittig, ächzt und singt mit dünnem Stimmchen, bevor sie zur greisen Betty Davies mutiert. Ronny (Felix Axel Preißler) widerspricht allen Attributen eines Strichjungen und zeigt den Willen, sein Leben zum bessren zu wenden. Taylor (Julia Preuß) wandelt sich von der haarlosen Puppe zum widerspenstigen Charakter, der sich um seine Lieben sehr sorgt.

Fernando (Tilo Krügel), der Filmproduzent, nutzt Menschen- wie Tiermaterial zum profitablen Geschäft. Die vier agieren wandlungsfähig, trotz Distanz nimmt man ihnen die inneren Kämpfe und persönlichen Konflikte ab. Jedoch sind für den Zuschauer die Eckpunkte des Dramas schnell ausgemacht, so dass die zum Ende hin nervenden Wiederholungen nichts Neues mehr präsentieren. Auch setzt die Regie von Philipp Preuss manches Mal auf unnötige Effekthascherei: Muttis geistiger Nebel wird mit maschinellem unterstützt. Knackende Gelenke werden mit Plasteabfall hörbar gemacht.

Die Souffleuse souffliert als Programmpunkt, wobei der eher einfach gestrickte Wortfluss einer Stimme von außen gar nicht bedarf. Wahrscheinlich um die immer wiederkehrenden Wellen am Strand und vergeblichen Ausbruchsversuche im Leben sinnbildlich zu machen, wird der Schlusspunkt nicht gefunden: Die fast leblose Mutti aufersteht als Betty Davies im Ballkleid und stürmt (gefühlt) 50x aus jeder Ecke die Spielfläche. Ronny und Taylor sprechen auch immer wieder dasselbe.

Das Licht geht in eine Las-Vegas-Farbenflut über, das sieht hübsch aus, hat aber mit der elenden Geschichte gar nix zu tun. Das Licht hätte sehr gut auch eine halbe Stunde früher ausgehen können. Henner Kotte

ANNOTATION

„beach house“ von Dorian Brunz. Uraufführung am Schauspiel Leipzig, Diskothek. Ein Beitrag aus dem Stückewettbewerb der Autor*innentheatertage am Deutschen Theater Berlin 2020

Regie: Philipp Preuss, Bühne & Kostüme: Ramallah Aubrecht, Sound: Alexander Nemitz, Lichtdesign: Carsten Rüger, Dramaturgie: Matthias Döpke, Theaterpädagogische Betreuung: Amelie Gohla

Besetzung: Anna Keil als Frau Schmetterling, Julia Preuß als Taylor Schmetterling (ihre Tochter), Felix Axel Preißler als Ronny Schmetterling (deren Zwillingsbruder), Tilo Krügel als Fernando

CREDITS

Text: Henner Kotte

Foto: © Ralf Arnold/Schauspiel Leipzig

Premiere 29.01.2022; veröffentlicht 30.01.2022

Nächste Vorstellungen: 02. und 03.02.2022, Beginn 20 Uhr

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