Goethes Götz als Opernheld
Zum Erleben von Neuem und Spannendem in der Theaterwelt sollte man auch in die belächelte „Provinz“ fahren. Besagtes Lächeln weicht dann schnell staunender Anerkennung. So kürzlich erlebt im Eduard-von-Winterstein-Theater zu Annaberg-Buchholz. Dessen Intendant, Dr. Ingolf Huhn, hat sich bereits an seinen anderen Wirkungsstätten um Wiederentdeckungen zu Unrecht vergessener Werke verdient gemacht. Seine jüngste Hervorhebung beschert dem Annaberger Haus sogar Gäste von „überm großen Teich“, da eben weltweit nur in Annberg-Buchholz erlebbar.
Von Frieder Krause
Carl Goldmark, österreichisch-ungarischer Komponist des 19. Jahrhunderts mit jüdischen Wurzeln, setzte diesem Helden aus der Zeit der Bauernkriege ein musikalisches Denkmal. Auf seinen Umgang mit Frühwerk des Altmeisters war ich sehr gespannt. Wieviel wird vom Ritter mit der eisernen Hand, seinem Drang nach Gerechtigkeit und Freiheit, seiner revolutionären Verbundenheit mit dem kämpfenden Bauern ist in einer Oper erzählbar? Richtet sie den Blick auch auf den Raubritter Götz, auf die Unterdrückung der einfachen Schichten, den Verrat des Freundes Weislingen oder des Spiels mit den Tücken der Liebe durch Adelheid von Walldorf?
Diese Fragen sind schnell mit Ja beantwortet, wenn man sich der Tatsache bewußt ist, dass das Klassikerwerk in zweieinhalb Stunden Oper nicht vollständig wiedergebbar ist und Librettist Alfred Maria Willner es für die Oper frei gestaltet hat. In Goldmarks Oper stehen weniger die Fehde und das Kriegsgetümmel im Zentrum, sondern mehr der verletzliche Götz, der Familienmensch, der Gläubige. Regisseur Huhn findet dafür bis ins Detail stimmige und berührende Bilder, wenngleich manches leicht statuarisch wirkt.
Als Coup könnte man die Verpflichtung der Bühnenbildnerin sehen, die den gleichen Namen wie der Titelheld trägt. Annabel von Berlichingen setzt auf den Einsatz der Drehbühne, gestaltet sie mit Landkarten als Zeichen für politischen Wandel oder mit Speerspitzen für Folter.
Goldmarks Musik findet in ihrer Balance zwischen Spätromantik und aufkommender Moderne Gefallen beim Hörer. In ihren dramatischen Passagen ist der Vergleich zu Richard Wagner schnell gegeben. Der Komponist äußerte einmal, dass Kirchenmusik ihn geprägt habe. Auch dies ist hörbar.
Die Erzgebirgische Philharmonie Aue unter GMD Naoshi Takahashi meistert die für sie völlig unbekannte Partitur mehr als anerkennenswert. Erfreulich: der klare Klang der Hörner.
Das Annaberger Ensemble zeichnet sich in den letzten Spielzeiten durch Kontinuität aus. Dies ermöglicht die Aufführung einer Herausforderung wie Carl Goldmark „Götz“ mit ausschließlich hauseigenen Solisten! Dazu übernehmen z.B. Laszlo Varga, Marcus Sandmann und Leander de Marel bis zu drei Rollen.
ls Knappe Georg trifft Madelaine Vogt berührend das Gefühl der Besorgnis um Götz. Michael Junge zeichnet deutlich die Zerrissenheit Weislingens, läßt aber leider stimmlich Wünsche offen. Frank Unger gibt seinem Franz glaubhaft das Verehren und Begehren für Adelheid von Walldorf. Für diese ist Bettina Grothkopf stimmlich wie darstellerisch die Idealbesetzung. Star des Abends ist zweifellos der Titelheld, der den solchen nicht überzeichnet. Der junge Bariton Jason-Nandor Tomory bringt seine voluminöse Stimme vielfältig ein, begeistert auch in lyrischen Momenten. Verdiente Bravis für Beide.
Termine unter: www.winterstein-theater.de