Auf solche hat man sich im Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz begeben. Und dies mit einer deutschsprachigen europäischen Erstaufführung. „Blossom Time“ ist die amerikanisierte Fassung des „Dreimäderlhaus“ durch Sigmund Romberg als Operette in einer Vorstufe zum Musical. Damit hat sich das Annaberger Haus mit seinem erfahrenen Intendanten und Regisseur Dr.Ingolf Huhn zum wiederholten Male an eine Neuentdeckung bzw. Ausgrabung gewagt. In dieser Sicht wird man dort fündiger als mit neuen Erzschätzen im Land des Berggeschreys“.
Von Frieder Krause
Das Werk hat viele Väter. Einmal im musikalischen Ursprung mit der Musik Franz Schuberts, dann bei den Schöpfern der Operette „Das Dreimäderlhaus“ und der Neufassung durch Romberg. Als Übersetzer ins Deutsche fungierte Nico Rabenald, der zur Premiere anwesend war. Dazu kommt wie erwähnt Regisseur Ingolf Huhn und das immer wieder mit Leistungsstärke überzeugende Ensemble des Winterstein-Theaters sowie die Erzgebirgische Philharmonie Aue.
Nun könnte man meinen, viele Köche verderben den Brei. Doch solches ist auszuschließen, da Huhn dem vermeintlich historischen Geschehen vertraut und dieses umsetzt. Ebenso baut er auf das Engagement, die Spielfreude und die Charakterisierungskunst seiner Protagonisten. Dazu gesellen sich mit Bühnenbildner Tilo Staudte und Kostümbildnerin Erika Lust Gleichgesinnte. So ist zu erklären, das gleich nach Öffnen des Vorhanges Beifall für detailgetreues Biedermeier aufbrandet.
Berechtigung für ein Rührstück
Die Frage, ob dieses „Rührstück“ in unserer Zeit noch eine Berechtigung hat, findet die folgende Antwort: Ja, wenn man es so umsetzt. Zumal es auch eine Botschaft zur Vergebung aussendet.
Das Werk läßt den Betrachter am Leben des jungen Franz Schubert und dessen Freunden sowie der drei Töchter des Hofjuweliers Kranz teilhaben. Es führt ins romantische Wien mit einem Gartenlokal in Hietzing sowie ins Hause Kranz auf der Mölker Bastei. Im Verlaufe der Handlung durchlebt der Komponist eine unerfüllte Liebe. Auf deren Basis ist er in der Lage zu vergeben und damit versöhnend ein Duell zu verhindern.
André Riemer, einziger Gast im Ensemble, ist allein vom Äußeren her die Idealbesetzung des Franz Schubert. Er vermag es, die Farben einer Tenorstimme entsprechend der Gefühlslage seines Helden auszuloten und berührend sein Ringen in vergebender Liebe zu gestalten. Als sein Freund Franz von Schober ist der hauseigene (leider nicht mehr lange) Tenor Frank Unger der zweite Idealfall. Mit tenoralem Schmelz brilliert er nicht nur beim Liebeslied im zweiten Akt und gestaltet wie von ihm gewohnt mit Natürlichkeit und Temperament. Bettina Grothkopf ist als La Bellabruna mal ganz anders zu erleben und formt eine herrlich überdrehte Primadonna. Sängerisch hat sie rollenbedingt nicht so viel an Möglichkeiten, mit ihrem ausdrucksstarken Sopran zu glänzen. Da erschließen sich für Madelaine Vogt als Mitzi weit mehr Chancen. Und die reizt sie voll mit glockenklarer Sopranstimme aus.
Die gesanglichen Freuden erweitern sich auf das Quintett der fünf Freunde, neben Riemer und Unger dazu László Varga (Joseph Kupelwieser), Jason-Nandor Tomory (Moritz von Schwind) und Leander de Marel (Johann Michael Vogl). Ebenso auf die drei Kranzschen Mädel im Terzett mit Bridgette Brothers (Kitzi), Anna Bineta Diouf (Fritzi) neben Mitzi (Madelaine Vogt). Da bezaubern Klangschönheit und Homogenität.
Bewundernswerte Charakterisierungskunst
Der Rezensent erwähnte bereits die Charakterisierungskunst der Protagonisten. Mit Matthias Stephan Hildebrandt (Herr Kranz) und Michael Junge (Graf Scharntoff) sind da unbedingt noch zwei weitere Ensemblemitglieder zu nennen, ebenso mit kleinerer Aufgabe Bettina Corthy-Hildebrandt als Frau Kranz. Zahlreiche Kleindarsteller tragen ebenfalls zum Erfolg des Abends bei. Klangschön und beweglich agiert der Chor des Hauses in Einstudierungen von Jens Olaf Buhrow und Sigrun Kressmann.
Orchestral wird die Aufführung von der Erzgebirgischen Philharmonie Aue getragen. Sie vermag es, mit ihrem Eigenklang die Vielfalt der Musik von der Schubertschen „Unvollendeten“, seinem Liedgut bis hin zum Moderneren Rombergs auszuloten. Das Dirigat der Premiere oblag mit großem Erfolg Karl Friedrich Winter. Dieser konnte auf der immensen Vorarbeit des Einfühlens in die Musik, der Sichtung des Notenmaterials usw. durch Dieter Klug (der krankheitshalber dieselbige nicht dirigieren konnte) aufbauen und eigenes Gestalten einbringen.
Abschließend zwei kleine Einschränkungen zum bejubelten Premierenabend, der leider wohl durch die Grippewelle nicht ausverkauft war. Akt 1 wirkt teilweise im Dialog überbordet. Hätte man den Übergang vom 2. auf den 3. Akt nicht weiter mit der „Unvollendeten“ füllen können?
Annotation:
„BLÜTENZEIT BLOSSOM TIME“. Amerikanische Operette in drei Akten. Buch und Liedtexte von Dorothy Donnelly, basierend auf der Operette „Das Dreimäderlhaus“ von Heinrich Berte, Alfred Maria Willner, Heinz Reichert. Musik von Sigmund Romberg unter Verwendung von Kompositionen Franz Schuberts. Deutsch von Nico Rabenald. Inszenierung Ingolf Huhn, Musikalische Leitung Dieter Klug/Karl Friedrich Winter, Bühne Tilo Staudte, Kostüme Erika Lust, Choreographie Sigrun Kressmann, Chöre Jens Olaf Buhrow, Dramaturgie Annelen Hasselwander. Darsteller: Franz Schubert – André Riemer, Franz von Schober – Frank Unger, Johann Michael Vogl -Leander de Marel, Mitzi Kranz – Adelaine Vogt, Kitzi Kranz – Bridgette Brothers, Fritzi Kranz – Anna Bineta Diouf, La Bellabruna – Bettina Grothkopf, Joseph Kupelwieser – László Varga, Moritz von Schwind – Jason-Nandor Tomory, Herr Kranz – Matthias Stephan Hildebrandt, Frau Kranz – Bettina Corthy-Hildebrandt, Graf Scharntoff – Michael Junge. Der Chor des Eduard-von-Winterstein-Theaters. Extrachor. Es spielt die Erzgebirgische Philharmonie Aue
Fotos: (c) Erzgebirgische Theater- und Orchester GmbH