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Annaberg statt Detmold – Seltene Begegnungen mit Albert Lortzing
„Andreas Hofer“, Albert Lortzing Inszenierung des Eduard-von-Winterstein-Theaters Annaberg-Buchholz

Annaberg statt Detmold – Seltene Begegnungen mit Albert Lortzing

Inszenierung des Eduard-von-Winterstein-Theaters in Annaberg-Buchholz

Lortzing-Werke „Andreas Hofer“ , „Weihnachtsabend“ Bildquelle: Erzgebirgische Theater- und Orchester GmbH

Wieder einmal ist es dem Intendant des Eduard-von-Winterstein-Theaters Annaberg-Buchholz, Dr. Ingolf Huhn, gelungen, den Blick der Musikwelt auf sein Haus zu lenken. Dort erblickte am 7. Dezember 2014 182 Jahre nach seiner Entstehung das Lortzing-Werk „Andreas Hofer“ das Bühnenlicht. Kombiniert wurde der Einakter mit dem äußerst selten gespielten „Weihnachtsabend“ desselben Meisters. Entstanden sind beide Werke in Lortzings Detmolder Zeit und hätten eigentlich dort ihrer Wiederentdeckung harren müssen. Maßgeblich unterstützt wurden die Annaberger Theaterleute bei ihrem Uraufführungsprojekt von der Lortzing-Gesellschaft, speziell von Frau Dr. Irmlind Capelle.

Wer als Lortzing-Liebhaber ins Erzgebirge gereist ist, mag zuerst enttäuscht sein, keinem reinen Lortzingklang lauschen zu dürfen. Doch bald erschließt sich der reizvolle Kosmos der Singspiele im Stile der damals gebräuchlichen Vaudevilles. In diesen wurden Texte des Autors neben eigenen Kompositionen mit Melodien aus zu dieser Zeit gängigen Opern und Musikstücken ergänzt. So begegnet man quasi in einem Wunschkonzert mit Schubert, Mozart, Weber oder Haydn guten Bekannten. Friedrich Heinrich Himmel und Niccolo Isouard werden dagegen zur Entdeckung.

Während bei den 10 launigen Szenen des „Weihnachtsabend“ neben der Ouvertüre nur die Nr. 1 eine Eigenkomposition Lortzings ist, sind es bei „Andreas Hofer“ bei ebenfalls 10 Szenen bereits sechs. Bei Ouvertüre, Canon (Nr. 5) und vor allem beim Chor (Nr. 7) kommt der Lortzing-Liebhaber voll auf seine Kosten. Im aufrüttelnden Schlußchor vereint sich Lortzing mit Haydn.

Wenden wir uns den Handlungen zu. Den „Weihnachtsabend“ erlebt man an demselben im gutbürgerlichen Hause Käferling. Dort wartet der sonderbare Hausherr mit den Seinen auf die Bescherung und erhofft sich als Hobby-Zoologe einen ausgestopften Seebären. Im Hause Hofer entwickelt sich ein Verratsverdacht innerhalb des Tiroler Freiheitskampfes. Diesem begegnet sein Held noch entspannt und patriotisch siegesbewußt. Auch wenn heute der Text zu dieser Situation harmlos wirkt, fiel er 1832 der Zensur zum Opfer.

Ein zentrales Thema der Vaudevilles ist wie so oft die Liebe. Im „Weihnachtsabend“ sollen sich Suschen und ihr Gottlieb finden, in „Andreas Hofer“ Else und Conrad. Jeweils ist die Verlobungsfeier in Vorbereitung. Vor allem Vater Käferling sträubt sich gegen eine solche, doch es gibt Unterstützer wie den Kaserneninspektor Sommer.

Die Annaberger Ausgrabung lebt wesentlich vom Engagement und der Spielfreude ihres Ensembles. Regisseur Ingolf Huhn und sein Bühnenbildner Tilo Staudte versagen Lortzing nichts vom Stil seiner Geschichten. Staudte versetzt den Betrachter beim „Weihnachtsabend“ in ein natürlich mit einem Tannenbaum geschmücktes Wohnzimmer, in dem zahlreich ausgestopfte Tiere auf das Hobby des Bewohners hinweisen. Bei „Andreas Hofer“ hat er mittels einfacher Pappinstallation ein beeindruckendes Alpenpanorama geschaffen. Mittels eines großen aufklappbaren Fensters wird versetzt im Guckkastenprinzip eine zweite Spielebene angeboten. Dort wird allerdings phasenweise zu überzogen agiert.

Schöne Charakterstudien tragen zum Gelingen der Aufführung bei. Zu nennen wären da zuerst Leander de Marel als Käferling und Hofer, Bettina Corthy-Hildebrandt als jeweils dessen Frau, Michael Junge als Kaserneninspektor Sommer mit zahlreichen Spruchweisheiten, Marcus Sandmann als Gottlieb und Conrad sowie vielfältig Matthias Stephan Hildebrandt als Vetter Michel und Hofers Freund. Mit ihrem klangschönen wie gefühlvollen Sopran gefällt Madelaine Vogt. Laszlo Varga formt mit kraftvollem Bass rollengerecht die Figur des Hauptanführers Speckbacher. Beim Kindertrio der Käferlings gelten die Sympathien des Publikums besonders Anton-Akira Takahashi.

GMD Naoshi TaWeihnachtsabend-156kahashi und die Erzgebirgische Philharmonie geben der Musik Lortzings und der anderen nuanciert all das, was eine gute Wiedergabe einfordert.

Als wesentlich sei noch festgehalten, dass Dr. Huhn mit seiner neuesten Ausgrabung bei seinem Publikum aus der Region punktet. Der starke Beifall und anerkennende Stimmen in der Pause und zum Schluss der von mir besuchten Repertoire-Vorstellung bestätigen dies nachdrücklich. Übrigens, der „Weihnachtsabend“ wurde 2014 auch einzeln als den Weihnachtsmarktbesuch ergänzend angeboten. Es wäre zu wünschen, diese Offerte auch 2015 im Spielplan zu finden.

 

Text: Frieder Krause

Bildquelle: Erzgebirgische Theater- und Orchester GmbH

ANNOTATION

Musikalische Leitung: GMD Naoshi Takahashi

Inszenierung: Ingolf Huhn

Ausstattung:  Tilo Staudte

Chöre:  Uwe Hanke

Dramaturgie:    Annelen Hasselwander

 

Besetzung: „Der Weihnachtsabend“

Käferling, Privatmann: Leander de Marel

Seine Frau: Bettina Corthy-Hildebrandt

Suschen Schwalbe, Tochter:  Madelaine Vogt

Gottlieb Fink, Neffe:  Marcus Sandmann

Vetter Michel: Matthias Stephan Hildebrandt

Kaserneninspektor Sommer:  Michael Junge

 

Besetzung: „Andreas Hofer“

Andreas Hofer, Obercommandant von Tyrol: Leander de Marel

Gertrud, sein Weib:  Bettina Corthy-Hildebrandt

Else, seine Tochter: Madelaine Vogt

Conrad Eisenstecken, Hofers Adjutant: Marcus Sandmann

Joseph Speckbacher,

Hauptanführer der Insurrection: László Varga

Peter Joachim Haspinger, Kapuziner: Michael Junge

 

Chor des Eduard-von-Winterstein-Theaters

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