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Altenburg: „Don Giovanni“, höchst unterhaltsam

Altenburg: „Don Giovanni“, höchst unterhaltsam

Regisseur Bernd Mottl unterstreicht volkstheaterhafte Züge einer hochmoralischen Geschichte .

Am 10. Seeptember 2023 hatte Mozarts Oper „Don Giovanni“ Premiere am Theater Altenburg Gera. Eröffnet wurde die Spielzeit diesmal in der kleineren thüringischen Stadt, mit der bedeutenden Theatertradition. Vor den Toren Leipzigs, was man dort nicht nur gerne hört.

Von Moritz Jähnig

Johannes Beck (Masetto) und Ivon Mateljan (Zerlina) mit den Damen und Herren des Chores

„Don Giovanni“ ist eine Oper von Wolfgang Amadeus Mozart, die 1787 uraufgeführt wurde, vor 236 Jahren. Die Handlung dreht sich um den verführerischen und skrupellosen Edelmann Don Giovanni, der eine Reihe von Frauen verführt und betrogen hat. Die Oper beginnt mit seinem neuesten Eroberungsversuch, der jedoch in einem Mord endet, als er den Vater der jungen Donna Anna tötet. Im Laufe der Handlung begegnet Don Giovanni einer Reihe von Charakteren, darunter sein treuer Diener Leporello, Donna Elvira, eine seiner verlassenen Liebhaberinnen, und Zerlina, eine junge Braut, die er ebenfalls verführen möchte.

Die Oper erkundet Themen wie Verführung, Machtmissbrauch, Rache und moralische Verantwortung: Don Giovanni wird von einem übernatürlichen Ereignis heimgesucht und in die Hölle gezogen, als Strafe für seine Taten. „Don Giovanni“ ist eine meisterhafte Mischung aus dramatischer Handlung, moralische Botschaft und wunderschöner Musik. Das Werk bietet eine fesselnde Darstellung von Liebe, Lust und Vergeltung – eine zeitlose Oper, die die dunklen Seiten der menschlichen Natur auf faszinierende Weise erforscht.

Uraufgeführt vor 236 Jahren in Prag, später in Wien, vielfach im Umfang und in der Abfolge der musikalischen Nummer aus dramaturgischen oder aufführungspraktischen Gründen verändert, stellt jede Inszenierung eine große Herausforderung dar. Die heute fusionierten Theaterstandorte Gera und Altenburg haben im Laufe ihrer traditionsreichen Geschichte nicht wenige Male schon Mozart-Meisterwerk für die jeweilige Zeit gültig aufgeführt.

Die These, so wie das Schicksal des tugendfreien Kavaliers im Theaterzelt am Großen Teich mit der herrschaftlich verspielten Fontaine am Fuße des Burgbergs jetzt szenisch nacherzählt wird, gab es das in der Residenz noch nie, dürfte unwidersprochen bleiben. Ob die dafür vorgenommenen Eingriffe das Werk musikalischer Elemente berauben, wollen wir hier nicht diskutieren.

Eine Manege für Volkstheater

Der Sanierung des denkmalgeschützten Theatergebäudes geschuldet, spielt die Bühne Altenburg-Gera in Altenburg in einem Zelt, was unwillkürlich an Zirkus und Unterhaltung erinnert. Die herausfordernde Situation wird durch Regisseur Bernd Mottl und Bühnen- wie Kostümbildner Friedrich Eggert angenommen und wirkt positiv mit. Die Bühne ist ein zum dich dransitzenden Publikum hin halbrunder, mehrstufiger Manegenbau mit einem erhöhten zentralen Punkt: dem Bett. Das Bett ist der Dreh- und Angelpunkt des kompletten Geschehens. Hierhin werden die Frauen gelockt. Hier wird geliebt. An den Bettpfosten führt der Diener Leporello Strichliste über die Erfolge seines Herrn. In Giovannis Liebesnest wird wie ausversehen Donna Annas Vater ermordet. Dieser Matratzengruft entsteigt der Commendatore dann auch unfreiwillig komisch, um den Sünder in die Hölle zu ziehen, deren Eingang natürlich im Bett zu verorten ist. Die Auftritte erfolgen teil durch schwarzen Gummilamellen von der Seitenbühne oder aus dem Zuschauerraum, der generell immer wieder als Spielort einbezogen wird.

Anne Preuß (Elvira) und Kai Wefer (Leporelo) v.l.

An dieser Stelle wäre als einer der publikumswirksamsten Momente die Flucht Leporellos aus der schaurigen Situation bei Erscheinen des Komturs im Gewand eines Großinquisitors direkt in die Arme der drüber nicht unerfreuten Zuschauer zu nennen. Das hat clowneske Züge und zeig am besten, dass die Inszenierung Volkstheater sein will und wie ein Schikaneder zu Mozarts Zeit jedes Mittel nutzt.

Durchgehend gute Besetzung aller Partien

So wandelt sich die Bauernhochzeit Zerlinens in den schrägschrillen Auftritt einer Junggesellinnenabschiedsparty oder der mörderische Degen wird zur laut knallenden Pistole. Die ältlich angelegte Donna Elvira erscheint mit einer Begleiterin im Teenageralter (hervorragend Patricia Felsch in dieser pantomimischen Rolle), die dem gockelhaften Werben des triebbesessenen Opa einfach nur den Stinkefinder zeigt.

Dem bisher gesagten ist zu entnehmen, dass das Ensemble eine sängerisch und darstellerisch sehr starke Besetzung bereitstellt. Zerlina (Ivon Mateljan) und Masetto (Johannes Beck) sind in ihren Partien in dieser dramaturgisch stark gestrafften Fassung nicht voll gefordert. Sie treten drastisch auf, prekäre Typen aus dem Heute. Ottavio (Isaac Lee) ist dagegen ein feiner Mann, der nicht gerade vor Erotik sprüht. Die Weiber, die Weiber – sie wollen nur das eine. Donna Anna (Miriam Zubieta) und Donna Elvira (Anne Preuß) stehen zwar für unterschiedlich Generationen, aber beider Ziel ist in dieser Fassung recht eindimensional das Himmelbett des großen Verführers. Und das alles bedient der Don (Alejandro Lárraga Schleske) sowohl optisch im Musketier-Manier mit schulterlangem Haar wie auch im Schmelz tenoralen Gesangs. Sein moralischer Gegenspieler im Stück, der Komtur (Valentin Anikin) kann einem solchen gegenüber noch stärker als erlebt ins Gewicht fallen.

Diener und Dealer als zentrale Erzählfigur

Die starke darstellerische Präsenz des Leporello (Kai Wefer) lässt diese von da Ponte im Spiel von Schuld und Sühne eigentlich zurückhaltend angelegte Figur ins Zentrum der Altenburger Erzählung rücken. Leporello, der ausschaut, wie ein windiger Handyverkäufer mit schlampig umgenähten Jeanshosen, ist nicht allein Diener seines Herrn, sondern zuvörderst sein Dealer. Immer etwas schmierig in der Haltung, steht mit dem Grafen auf Augenhöhe gegenüber, wie man es heute gern formuliert. Denn Leporello bringt den Stoff. An diesem Ort, der nichts mit Mozartzeit oder realer Gegenwart zu tun hat, sondern Manege für ein exemplarisches Spiel ist, wird geraucht und gekokst und Hasch konsumiert, was die Drogenküche hergibt. Der Mord kann so als ein Unfall unter Drogeneinfluss gelesen werden. Andeutungsweise braucht der Edle die Substanzen seines Dieners auch dringend, um sein Pensum zur Zufriedenheit der Frauen durchziehen zu können. Das Koksen sieht man. Den Sex oder die körperliche Annäherung muss man sich dazu denken. Wie auch im Schlussensemble Männer und Frauen wie nach gemachtem Erkenntnisprozess voneinander Anstand halten.

Theatraler Schwung als Orchesterhaltung

Das Beste zum Schluss: das neben der Spielfläche sitzende Philharmonische Orchester musiziert im Altenburger Theaterzelt unter Leitung von GMD Ruben Gazarian einen Mozart voll theatralem Schwung und kraftvoll rhythmischer Betonung. Es ist auch ein Genuss, weil man wirklich einzelne Stimmen sehr gut hört, die sonst – pardon – manchmal doch im Graben bleiben. Das hängt mit der elektronischen Verstärkung zusammen, die insgesamt, auch für die Gesangsstimmen, stark ist und anstrengend.

Ein kurzweiliger Abend, Bravo. Hingehen.

Annontation

„Don Giovanni“. Dramma giocoso in zwei Akten. Libretto von Lorenzo da Ponte, Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, Theater Altenburg-Gera.
Musikalische Leitung GMD Ruben Gazarian, Inszenierung Bernd Mottl, Bühne, Kostüme Friedrich Eggert, Choreinstudierung Dr. Alexandros Diamantis, Dramaturgie Sophie Jira, Ensemble Philharmonisches Orchester Altenburg Gera, Opernchor des Theaters Altenburg Gera
Besetzung: Don Giovanni Alejandro Lárraga Schleske, Leporello Kai Wefer, Commendatore Valentin Anikin (a.G.), Don Ottavio Isaac Lee, Donna Anna Miriam Zubieta, Donna Elvira Anne Preuß, Masetto Johannes Beck, Zerlina Ivon Mateljan (a.G.), Elviras Begleiterin Patricia Felsch  (a.G.)

Premiere und besuchte Vorstellung 10.09.2023; veröffentlicht 16.09.2023
Weitere Vorstellungen 17.09., 05.10., 31.10. und folgende

Credit

Text: Moritz Jähnig, freier Theaterkritiker und Herausgeber, Leipzig

Fotos (5): © Ronny Ristok

Szenenbilder

Alejandro Lárraga Schleske (Don Giovanni) und Valentin Anikin (Commendatore) v.l.

Isaac Lee, Alejandro Lárraga Schleske, Johannes Beck, Damen und Herren des Chores
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