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Halle neues theater: „Frau Müller muss weg“, Komödie von Lutz Hübner
Komödie „Frau Müller muss weg“

Halle neues theater: „Frau Müller muss weg“, Komödie von Lutz Hübner

Wissendes Gelächter, kollektives Einvernehmen. Schön!

Ach, war das einmal ein schöner Theaterabend in Halle! Zumal wenn man aus Leipzig kommt und einem also, was Schauspiel anbelangt, nichts Menschliches fremd ist. In Leipzig wirst‘e hart, Mann. In Halle kommt Freude auf. Das Publikum wird dort angenommen und darf sich wiederfinden.

Von Moritz Jähnig

Lutz Hübner ist ein gewiefter Stückeschreiber. Nach der erfolgreichen Dresdner Uraufführung von „Frau Müller muss weg“ war viel über das enorme dramatische Potenzial des Stückes zu lesen. Als Nicht-Vater hatte ich bis dahin keine Ahnung, welche existenzielle Wucht im Halbjahreszeugnis der Vierten Klasse steckt.

Äußerlich ist die Handlung unspektakulär: Einige Eltern sehen die Gymnasialempfehlung ihrer Kinder gefährdet und bestellen die Klassenlehrerin zum Gespräch, um ihr mitzuteilen, dass sie die Klasse abgeben müsse. Denn wer anderes als die Lehrerin kann an den schwächelnden Leistungen der kleinen Schätzchen schuld sein? Natürlich kommt nach und nach raus, dass die Eltern selbst die Probleme mit sich herum- und auf dem Rücken ihrer Kinder austragen. Natürlich gegen sie alle fest davon ausgehen, das ideale Konzept für die optimale Entwicklung ihrer Kinder in der Tasche zu haben.

Die jungen Eltern treffen auf die altgediente Klassenlehrerin Frau Müller. In Henriette Hörnigks Inszenierung am neuen theater Halle wird sie gespielt von der bewundernswerten Elke Richter als eine bewährte Fachkraft. Ganz und gar alte Schule. Die Müller hat unverkennbar schon in der Deutschen Demokratischen Republik vor einer Schulklasse gestanden. Von dem fiesen Komplott der Ehrgeizler ist sie nur mäßig überrascht. Sie taktiert auch nicht wirklich. Frau Müller läßt laufen, drischt Phrasen und kommt mit ihren zeitlosen Suaden gut über die Runden.

Was dann im Klassenzimmer aufbricht, ist einer jener bösartigen Ost-West-Konflikte, die unterirdisch auch nach den vielen zusammen gewachsenen Jahren im mentalen Untergrund wirken. Unvermutet können sie aufbrechen. Jeder kennt das. Kleinen Überzeichnungen und Klischees scheut die Inszenierung nicht. Die komödiantischen Linien werden manchmal kräftig nachgezogen. Dass keine Karikaturen auf der Bühne stehen, ist der Tatsache zu danken, dass wir es mit sechs absoluten Könnern zu tun haben. Ein Abend der Schauspieler.

Bettina Schneider und David Kramer liefern sich als ein von Köln in den Osten umgezogenes Ehepaar Schlachten, die ans Pathologische grenzenden und einen erschaudern lassen. Folge ihres sich Nicht-Eingewöhnen-Könnens im Osten. Einen besorgten Hartz-IV-Vater, der eigentlich dagegen ankämpft, ein Verlierer der friedliche Revolution zu werden, spielt Martin Reik ohne ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Die alleinerziehende Museumspädagogin von Lena Zipp und die taffe Ministeriumsmitarbeiterin und Elternsprecherin Frau Höfel, gespielt von Nicoline Schubert komplettieren.

Die von mir besuchte Repertoirevorstellung war ausverkauft. Ihre Zuschauer saßen glücklich applaudierend beieinander. Erlösendes Lachen. Kollektives Gemeinschaftsgefühl. Wir hielten uns alle quasi am Händchen, weil jeder seine Macken und Feindbilder der Bühne identifizieren konnte. Schön, wenn man sich im Theater gelegentlich mal bestätigt und wiederfindet.

05.04.2012

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