Home | Theater/Musik | Musik | Dessau: Faszinierend schlicht und wirkungsstark
Dessau: Faszinierend schlicht und wirkungsstark

Dessau: Faszinierend schlicht und wirkungsstark

Zu Richard Wagners „Tristan und Isolde“ am Anhaltischen Theater Dessau

Die am vergangenen Karfreitag am Anhaltischen Theater erlebte Repertoirevorstellung einer noch weiteren Reprise entgegensehende Inszenierung von Richard Wagners Opernmeisterwerk „Tristan und Isolde“ klingt lange nach. Dessau bietet großes Musiktheater, das europäischen Rang beanspruchen darf.

Von Moritz Jähnig

Ein Fest der Musik

Die Faszination, die von dieser Wagner-Inszenierung ausgeht, speist sich aus zwei Quellen: die unter ihrem GMD Markus L. Frank eine Fülle von Details herausarbeitende Anhaltische Philharmonie erreicht Klangmomente von jenseitiger Schönheit. Die Solisten des Hauses wissen sich getragen von ihrem Orchester und dessen umsichtig wirkenden Leiter. Die bemerkte Unausgewogenheit zwischen Streichern und Bläsern taten dem letztlich geschlossenen Gesamteindruck keinen Abbruch.

Das zweite Plus dieses Tristan ist seine konzeptionelle wie szenische Offenheit. Die Handlung wird von Regisseur Michael Schachermaiers paradigmatisch für menschliche Schicksalsläufe erzählt, (fast) ohne zusätzlich symbolische Mystifikationen zu bemühen oder mit intellektueller Architektonik der erzählten Tragik einen metaphysischen Überbau meinen verpassen zu müssen.

Sehr klar strukturierte Bühnenräume

Ein zwei Spielebenen ermöglichendes Gestell über die gesamte Breite, dessen Durchblick auf den diffusen Bühnenhintergrund bedarfsweise von Schiebwänden verkleinert oder vergrößert werden. Archaische geländerlose Treppenläufe und Hängeleuchten, ein paar Koffer im 1. Aufzug, eine am Kai liegende Schaluppe im 3. Aufzug – mehr bedarf die Bühne von Paul Lerchbaumer nicht, um mit klugem Lichtdesign ungeheuer eindrucksvoll zu sein. Die schlichten Kostüme von Alexander Djurkov Hotter signalisieren die Handlungszeit Mittelalter.  

Oben Anne Schuldt (Brangäne), mit KS Iordanka Derilova (Isolde), Tilmann Unger (Tristan)

Herausragend die Brangäne, als Gast gesungen von Anne Schuldt. Die geborene Rostockerin tritt auch international mit ihrem warmen Mezzo in den wichtigen Wagner-Partien ebenso hervor, wie im Liedgesang und als Oratoriensängerin. Mit klarer stimmlicher Konturierung gibt sie Isoldes Begleiterin natürliche, ja nahezu Respekt gebietende Würde. Eines der schönsten Bilder der Inszenierung ist der riesige leuchtende Vollmond, der zu Brangänes Nachtgesang „Habet acht“ aufscheint.

Szene mit Tilmann Unger (Tristan) und KS Iordanka Derilova (Isolde)

Iordanka Derilova ist eine Künstlerin, die alle ihre Partien zu Fixsternen der Aufführungen aufsteigen lässt. Für ihre Isolde gilt diese Beobachtung in noch besonderer Weise. In ihre Interpretation fließt die Erfahrung aus langjähriger Wagner-Pflege am Dessauer Theater ein. Gab die dafür als Kammersängerin geehrte doch bereits vor 18 Jahren die Isolde der Vorläuferinszenierung (Johannes Felsenstein) an diesem Hause. Stimmlich durchgehend auf höchstem Niveau und voll Leidenschaft, ist die Figur ihrer Isolde eine Frau mit vielen unterschiedlichen Seiten, auch weniger angenehmen.

Michael Tews lässt den Schmerz und die Enttäuschung des verratenen König Marke nachvollziehbar werden. Kay Stiefermanns Kurwenal überzeugt gesanglich und körperlich glaubhaft, wenn er die Konsequenz von Liebe und Treue zieht, wie seine Figur sie sieht.

Tilmann Unger meistert die kraftraubende Partie des Tristan souverän und mit Noblesse Im Mai wird der ebenso von Gastspielen in Leipzig bekannte Tenor den Florestan in der „Fidelio“-Premiere in Magdeburg geben.

Annotation

“Tristan und Isolde”. Handlung in drei Aufzügen
Musik und Text von Richard Wagner, Anhaltisches Theater Dessau.

Musikalische Leitung Markus L. Frank, Inszenierung Michael Schachermaier, Bühne Paul Lerchbaumer, Kostüme Alexander Djurkov Hotter, Leitung Opernchor Sebastian Kennerknecht, Dramaturgie Yuri Colossale,

Besetzung

Isolde KS Iordanka Derilova, Brangäne Anne Schuldt, Tristan Tilmann Unger, Melot Barış Yavuz, Kurwenal Kay Stiefermann , Mathias Hausmann, König Marke Michael Tews, Ein Hirte David Ameln, Ein Steuermann Pawel Tomczak, Stimme eines jungen Seemanns David Ameln, Anhaltische Philharmonie Dessau, Opernchor des Anhaltischen Theaters Dessau, Statisterie des Anhaltischen Theaters Dessau

Premiere 27.01.2024; besuchte Vorstellung 29.03.2024; veröffentlicht 30.03.2024

Credits

Text: Moritz Jähnig, Freier Theaterkritiker und Herausgeber, Leipzig

Foto (4): © Claudia Heysel

Scroll To Top