So lautete am 5. Mai das Motto im Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg. Gewürdigt wurde der Jubilar, in dem sich am 2. April 1893 zum ersten Mal mit Goethes „Egmont“ der Vorhang hob. Geladen wurde zu einem Feiermarathon von über 11 Stunden.
Von Frieder Krause
Zuerst öffneten sich die Pforten des Verwaltungs- und Werkstattgebäudes in der Bambergstraße. Auf die Neugierigen wartete dort viel liebevoll Aufgearbeitetes zur Geschichte des Hauses wie zur Arbeit in den einzelnen Werkstätten. Wer wollte, konnte die große Geburtstagswand mitgestalten, Buttons prägen, eine Maske bzw. das Theatermonster basteln und sehen, was 1893 gespielt und modisch getragen wurde.
Auf dem „Theaterweg“ wartete zudem ein Preisrätsel, das sich mit einer Stückentwicklung beschäftigte. Selbiges stand unter dem Motto „Der steile Weg zum Ruhm“. Dieses musste man sich – so war es gedacht – auf der steil aufsteigenden Zick-Zack-Promenade mottogerecht hart erarbeiten, um schließlich zum Vorprogramm und zur Jubiläumsgala selbst zu kommen. Für ältere bzw. behinderte Besucher eine wohl kaum geeignete Herausforderung. Glücklicherweise gab es auch andere Wege.
Im Foyer angekommen wartete mit Loriots Spiel „An der Theaterkasse“ viel Spaß, der genauso wie der Begrüßungssekt und Klaviermusik das Warten auf die Gala verkürzte.
Zur selben konnte der Moderator und Hausherr, Intendant Dr. Ingolf Huhn, zahlreiche Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft, darunter die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Dr. Eva-Maria Stange, ehemalige Ensemblemitglieder und viele Annaberger Theaterfreunde im ausverkauften Hause begrüßen.
In seinem Grußwort umriss der Landrat des Erzgebirgskreises, Frank Vogel, die Geschichte des traditionsreichen Hauses, das bis heute auch schwierigen Zeiten getrotzt hat. Selbiges wurde auf Initiative eines Theaterbauvereins von den Bürgern der Stadt Annaberg selbst errichtet. Bis 1919 gewährleisteten Spielgemeinschaften mit anderen Theaterhäusern, wie z.B. Gera, den Spielbetrieb. Danach fungierte erstmals ein eigenes Ensemble. Während der Weltwirtschaftskrise sorgten auch arbeitslose Künstler für Theaterspiel. Das damalige Grenzlandtheater firmierte schließlich im 3. Reich als Landestheater Obererzgebirge. Nach kriegsbedingter Schließung 1944 erklang bereits am 1. Mai 1945 ein Konzert, die Nachkriegsspielzeit begann am 29. Juli 1945 mit Schillers „Kabale und Liebe“. Ab 1951 sprach man vom Kreistheater Annaberg. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten, eine Erweiterung ist territorialbedingt nicht möglich, wurde es mit Lessings „Emilia Galotti“ neu als Eduard-von-Winterstein-Theater am 7. Oktober 1981 wiedereröffnet. Damit erfolgte die Ehrung des Mimen, der deutsche Theatergeschichte geschrieben hat und von Annaberg aus seinen Weg an die großen Bühnen ging. Seit 1998 firmiert das Theaterhaus unter Erzgebirgische Theater und Orchester GmbH. Eine kleine Festschrift mit der Nennung dieser Fakten wäre wohl von allen Besuchern mit Freude aufgenommen worden.
Landrat Vogel lenkte zudem den Blick auf Schwergewichtigeres als die Geschichte: Die Verwurzelung des Ensembles in der Region mit einer selten zu erlebenden Rückkopplung mit dem Publikum, der anderen Hälfte des Theaters. Um gutes Theater zu erleben, sei es nicht nötig, in die größeren Städte zu fahren. Das stelle die Vielfalt und Leistungsfähigkeit des Ensembles immer wieder unter Beweis. Dem kann ich nur voll zustimmen.
Dies bestätigte auch der Theaterfördervereinsvorsitzende, Rolf-Jürgen Schubert. Er versicherte auch für die Zukunft die ideelle und finanzielle Unterstützung seitens der Vereinsmitglieder und kündigte eine baldige namhafte Summe an.
Kommen wir nun zum eigentlichen Gala-Programm. Vielleicht erwartet man in solchen u.a. eine große feierliche Chorszene oder die strahlende Tenor-Arie, dies geschah hier nicht. Zu erleben war dafür eine klug erdachte und voll aufgehende Konzeption, die vier Eckpfeilern des Hauses wie der Stadt Annaberg gerecht wurde. Als Einleitung erklang ein Werk des Annaberger Komponisten Peter Gast, eigentlich Heinrich Köselitz. Dessen Oper „Der Löwe von Venedig“ war anläßlich des 120.Geburtstages wiederentdeckt worden. Mit dem differenzierten Spiel der Ouvertüre zur Oper „Scherz, List und Rache“ unter der Stabführung von GMD Naoshi Takahashi war sogar eine Uraufführung anfangs der Gala zu erleben. Folgerichtig wandte man sich Eduard von Winterstein zu. Nenad Žanić (Nathan) und der Nestor des Ensembles Leander de Marel (Sultan) gestalteten eindringlich Lessings Ringparabel aus „Nathan der Weise“. Szenen aus Goethes Egmont schlossen sich an, dessen Titelrolle Winterstein 1893 gestaltete. Diesmal übernahm dies Sebastian Schlicht. Auffällig im Schauspielensemble die gute Sprachkultur. Als Besonderheit dazu erklangen Auszüge aus Beethovens Schauspielmusik zu diesem Werk mit der Erzgebirgischen Philharmonie. Wo ist heutzutage dieses einstige Zusammenspiel von Wort und Musik noch zu erleben?! Bettina Grothkopf erwies sich dabei als ideale Interpretin der Beethoven’schen Lieder. Heiter wurde es, als Tamara Korber und Marie-Louise von Gottberg an das Annaberger Vielseitigkeitsoriginal, den Maler Carlfriedrich Claus erinnerten und Auszüge aus dessen Theaterkritiken in den 50er Jahren verlasen.
Mit „There’s no business like showbusiness“ aus „Annie get your gun“ klang das 2stündige Programm wirkungsvoll aus. Intendant Huhn holte dazu das gesamte Ensemble auf die Bühne und feierte so unter großem Jubel die zuvor beschworene Rückkopplung.
Anklingend an die jährliche „ Lange Nacht des Gegenwartstheaters“ waren danach an fünf verschiedenen Orten Stücke von Max Reinhardt, Yasmina Reza, Karel Čapek, Eberhardt Streul sowie eine Lesung zu Eduard von Winterstein erlebbar. Vom jungen Winterstein – mit der ganzen Gestaltungskraft des gestandenen Schauspielers Gerd Schlott und dessen Tochter gelesen – konnte man so dessen Liebe und Verbundenheit zu seinem Annaberg nachspüren. Viel zu Lachen gab es bei den Stücken, die sich mit der Entstehung eines Stückes, den Regisseur-Macken oder dem Leiden eines Requisiteurs zuwandten.
Mit der Band „Travelling Sons“ ging es auf der Bühne tanzend in die Geburtstagsnacht. Dort wurde auch noch die große Geburtstagstorte angeschnitten. Was bleibt ist die Neugier auf die 126. Spielzeit. Gerne hätte man am Jubiläumsabend bereits in einem neuen Spielzeitheft geblättert.
Foto: Dieter Knoblauch / ETO GmbH und Archiv