Albert Lortzings „Zum Großadmiral“ in Annaberg.
Ingolf Huhn ist wieder einmal seiner ungebrochenen Entdeckerlust erlegen. Dies paart er mit seiner Leidenschaft für das Werk Albert Lortzings. Auf diese Weise ermöglicht der Intendant des Eduard-von-Winterstein-Theaters ein Wiedersehen und vor allem -hören mit dessen komischer Oper „Zum Großadmiral“ in einer Form, wie sie seit fast 170Jahren nicht mehr auf den Theaterbühnen gespielt wurde. Als ein Kind der 1848er Revolution verschwand sie – eigentlich unbegründet – nach ersten Erfolgen schnell aus den Spielplänen.
von Frieder Krause
Direkt Revolutionäres hatte der Komponist in ihr nicht verankert, aber seine Kritik am dekadenten Lebenswandel der Adelsschicht. In den 1930er Jahren tauchte sie für kurze Zeit stark verändert noch einmal auf. Nun ist sie wieder original in Annaberg erlebbar! Die Premiere der Wiederaufführung des Originals war eingebettet in die Jahrestagung der Albert-Lortzing-Gesellschaft e.V. Detmold.
Hinter dem „Großadmiral“ verbirgt sich in diesem Fall keine Titelfigur, sondern eine Hafenkneipe. Für Prinz Heinrich, den englischen Thronerben, wird sie unter dem Motto „Mit Schmerzen meide ich den Saal, mich ruft die Pflicht zum Admiral“ zum Codewort zwecks Besuches in derselben. Die Order bekommt er von seinem Vertrauten Graf von Rochester. Dieser aber hat mit dessen Gemahlin Prinzessin Catharina sozusagen einen Pakt abgeschlossen, um Heinrich wieder auf den Pfad der „Tugend“ zu bringen, damit er das Land in Würde regieren kann. In der Kneipe von Copp Movbrai wird in Absprache Heinrich, der sich als Matrose ausgab, die Geldbörse gestohlen. Zur Begleichung der Zeche, denn er hatte großzügig alle Gäste eingeladen, gibt er als Pfand einen wertvollen Ring. Dieser führt zu seiner Erkennung und im Folgeschluss zu seiner Bekehrung und Reue. Nicht nur als Nebeneffekt dürfen nach etlichen Verwirrungen Rochesters Page Eduard und dessen wie auch Copps Nichte Betty ihre Liebe offen genießen.
Als Regisseur bleibt Ingolf Huhn einer seiner ästhetischen Grundhaltungen, „das Werk hat immer recht“, treu. Das Stück im Ganzen zu spielen, sieht er als Dienst an der Gattung. So sind nur ganz wenige Kürzungen im Sinne des Massenstrichs und noch weniger in den Dialogen zu registrieren, um eine Spieldauer unter drei Stunden zu erreichen. Auch wenn sich nach der Pause ein paar Längen einstellen, ist dies jedoch im Sinne des Werkes absolut legitim. Weiter möchte Huhn den in der Handlung angedeuteten Herrscherdiskurs sowie die Haltung des Adels „Familie ist das Oberste“ charakterisieren. Dies ist gelungen. Er erweist sich zudem als Ökonom. Als Grundgerüst für das Bühnenbild benutzt er nach „Prinz von Heidelberg“ und „Blossom time“ zum dritten Mal die Holzkonstruktion Tilo Staudtes in diesem Falle für Schloßsaal und Hafenkneipe in anderer Farbgebung. Mittels Takelage-Deko wird für den zweiten Akt die urige Stimmung im Reich von Copp Movbrai mit allerhand Seemannsgarn und gefährlichen Meergetier geschaffen. Effektvoll dabei der schnelle Übergang zum dritten Akt. Brigitte Golbs schuf wunderschön anzusehende Kostüme ganz im Stile der Rokoko-Zeit sowie Verwegenes für die Seemannsleute.
Für die musikalische Einstudierung ist Karl Friedrich Winter verantwortlich. Sie wird dem Schaffen des Komponisten in der Verwendung des Klavierauszuges in Kenntnis der Münchner Partitur im besten Sinne gerecht. Ebenso die Leistung der erzgebirgischen Philharmonie Aue unter dem Dirigat von GMD Naoshi Takahashi. Mit viel Liebe, schwungvollem variablen Spiel wird der kostbare Schatz der Lortzing`schen Musik gehoben. Es ist schwer nachvollziehbar, wieso diese Klänge lange schweigen mussten. Bereits in der Ouvertüre leuchten sie auf. Sie zünden speziell im zweiten Akt und im harmonischen Schlussjubel bei den Freibeuterliedern, in Arien, Duetten, Terzetten und perlenden Chören ein wahres Feuerwerk. Letztere erhalten ihren Klang von dem durch Jens Olaf Buhrow glänzend präparierten Chor des Theaters und der Freien Chorvereinigung Coruso e.V. Die Damen und Herren geben zugleich treffende Karikaturen der Hofgesellschaft sowie der Kneipengäste, die diese in Wellengang versenken (Choreographie Sigrun Kressmann).
Noch am Morgen der Premiere stand diese auf der Kippe. Der Darsteller des Rochesters meldete sich schwer indisponiert. Im Interesse der Wiederentdeckung stellte er sich jedoch dieser Herausforderung. Respekt und Dank. Welch baritonalen Glanz Jason-Nandor Tomory dennoch zum Gelingen der Premiere beisteuerte dasselbige. Seine große Arie zu Beginn des dritten Aktes entfiel an diesem Abend. Ingolf Huhn empfahl den Besuch einer der nächsten Vorstellungen. Richtig!
Als Catharina von Frankreich gab Bettina Grothkopf eine ihrem Adelsstand entsprechende Studie einschließlich des Fallenstellens für ihren Gatten. Leider gibt diese Rolle der Künstlerin nur wenige Möglichkeiten, ihren wunderbaren Sopran zu entfalten. Dafür hat Madelaine Vogt als Eduard mehr Chancen und diese nutzt sie voll aus. Zudem gelingt es ihr gut, diese Hosenrolle glaubhaft zu machen. Anna Bineta Diouf als die von Eduard begehrte gefiel erneut mit ihrem wohlklingenden Mezzo und anrührenden Spiel.
Als Idealbesetzung des Abends in Stimme und Spiel erwies sich Laszlo Varga als Copp Movbrai. Mit kraftvollem bass und die szene beherrschend erzählt er seine seeräuberballadeSchließlich Jason Lee als Thronfolger Heinrich. Der junge Tenor verfügt im Lyrischen über eine gute Mittellage, beim Forcieren kommt er noch in Schwierigkeiten. Dem Lebemann im ersten und zweiten Akt könnte er im Sinne von weniger ist mehr besser gerecht werden. Für die Reue und Bekehrung im dritten Akt findet er jedoch den richtigen Gestus. Dies auch stimmlich. Diese Leistung könnte er sich selbst als Maßstab setzten. Typische Figurenzeichnungen steuern noch Michael Junge und Matthias Stephan Hildebrandt als Diener bzw. Ceremonienmeister bei.
Annotation:
„Zum Großadmiral“. Komische Oper in drei Akten nach dem Französischen bearbeitet von Albert Lortzing
Musikalische Leitung GMD Naoshi Takahashi
Inszenierung Ingolf Huhn
Bühne Tilo Staudte
Kostüme Brigitte Golbs
Choreographie Sigrun Kressmann
Chöre Jens Olaf Buhrow
Dramaturgie Annelen Hasselwander
Musikalische Einstudierung Karl Friedrich Winter
Heinrich, Thronerbe von England Jason Lee
Catharina von Frankreich, seine Gemahlin Bettina Grothkopf
Graf von Rochester, Heinrichs Vertrauter Jason-Nandor Tomory
Copp Movbrai, Gastwirth zum „Groß-Admiral“ Laszlo Varga
Betty, dessen Nichte Anna Bineta Diouf
Eduard, Page des Prinzen Madelaine Vogt
Hofherren, Hofdamen, Pagen, Matrosen, Landleute, Kellner und Volk:
Der Chor des Eduard-von-Winterstein-Theaters
Mitglieder der Freien Chorvereinigung Coruso e.V.
Extrachor
Extraballett
Es spielt die Erzgebirgische Philharmonie Aue
Was noch:
Dank zu sagen ist der Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. Detmold mit ihrer Vorsitzenden Dr. Irmlind Capelle.
Besuchte Vorstellung, Premiere am 28.04.2019, veröffentlicht am 03.05.2019
Weitere Vorstellungen in der Spielzeit 2018/19
08.05.2019, 19.30 Uhr
12.05.2019, 19,30 Uhr
19.05.2019, 15.00 Uhr
Credits:
Fotos: © Dirk Rückschloß/BUR-Werbung